Erklärung des Regierenden Bürgermeisters

Eine dreizehnjährige Amtszeit in fünf Minuten zu würdigen, am Ende eines langen Plenartages, ist keine einfache Sache. Wie vermeidet man falsches Pathos? Wie erklärt man Differenzen, verschiedene Phasen von Nähe und Distanz, Gemeinsamkeiten und Gegnerschaft? Kann man da einer Person, einer politischen Person, gerecht werden?

aus dem Wortprotokoll

56. Sitzung
Erklärung des Regierenden Bürgermeisters

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 27 A:

Erklärung des Regierenden Bürgermeisters zur Besprechung der Regierungschefinnen und Regierungschefs in Potsdam

Präsident Ralf Wieland:

– Für die Fraktion Die Linke jetzt der Fraktionsvorsitzende Udo Wolf – bitte schön, Herr Wolf!

Udo Wolf (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine dreizehnjährige Amtszeit in fünf Minuten zu würdigen, am Ende eines langen Plenartages, ist keine einfache Sache. Wie vermeidet man falsches Pathos? Wie erklärt man Differenzen, verschiedene Phasen von Nähe und Distanz, Gemeinsamkeiten und Gegnerschaft? Kann man da einer Person, einer politischen Person, gerecht werden? – Ich sage, das geht nicht. Aber egal, ob es jetzt pathetisch klingt: Klaus Wowereit hat Geschichte geschrieben – da gebe ich Herrn Saleh recht. Berlin, und nicht nur Berlin, hat ihm viel zu verdanken.

[Allgemeiner Beifall]

Das Bekenntnis von Klaus Wowereit: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ – klingt aus der Perspektive 2014 nicht besonders sensationell. Aber diejenigen, die sich an die Situation 2001 erinnern, müssen zugeben: Das war eine mutige Ansage an alle ach-so-verständnisvollen, latent oder offen homophoben Spießer in Deutschland, und es war eine Ermutigung an alle, die sich bis dahin noch nicht getraut haben, sich zu outen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD,
den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ja, man kann Klaus Wowereit einiges nachsagen, aber nicht, dass er ein Angsthase war. Die Entscheidung für Rot-Rot, lieber Klaus Wowereit, war ohne Frage auch ein Tabubruch, und ich erinnere hier gern an den Aufruhr, den es in Teilen der Stadt darüber gab – durchaus auch bei dieser CDU-Fraktion.

[Heiterkeit bei Martin Delius (PIRATEN)]

Ja, auch wenn es vorher schon Regierungsbeteiligung bei der PDS gab: In Berlin, der Ost-West-gespaltenen Stadt, der Stadt, in der die Mauer stand, eine Regierung mit der PDS zu bilden, das war mutig und für einen Sozialdemokraten keine Selbstverständlichkeit. Natürlich ist das Abendland nicht untergegangen. Die Koalition hat zehn Jahre lang gehalten. Sie war stabil und von Vertrauen geprägt. – Ich kann es mir an dieser Stelle auch nicht verkneifen, lieber Klaus Wowereit: Es war die Zeit, in der Sie, wenn wir Forsa glauben sollen, recht schnell zum beliebtesten Politiker Berlins wurden.

Berlin wurde ordentlich durchgelüftet. Die Person des Regierenden und die Erfordernisse der Stadt haben prima zusammengepasst. Aus grau wurde bunt. Rot-Rot hat viele Probleme zwar nicht in jedem Fall abschließend gelöst, aber auf jeden Fall angepackt. Und Sie, lieber Klaus Wowereit, haben das gegen manchen Widerstand verteidigt. Es ist schon angesprochen worden: Wir haben gemeinsam den Bankenskandal aufgearbeitet und den Landeshaushalt in Ordnung gebracht, durchaus auch mit teilweiser Mitwirkung von Teilen der Opposition.

[Heiterkeit bei den PIRATEN]

Unter Rot-Rot wurde erstmals ernsthaft mit einer Bildungsreform begonnen, die darauf setzt, Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln. Es gab einen Paradigmenwechsel in der Integrations- und Partizipationspolitik, den wir heute wieder mühsam verteidigen müssen. Die Weichen für die Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge wurden gestellt. Und dass Berlin heute wirtschaftlich so gut dasteht – Sie haben es selbst angesprochen –, hat bei Rot-Rot seine Wurzeln. Das waren wichtige Jahre für Berlin, und es waren gute Jahre. Wir sind auch stolz darauf, dass wir daran mitwirken durften. Dass Berlin heute nicht mehr spießige Provinzialität atmet, sondern das Image einer modernen, weltoffenen Metropole hat, ist Ihr historischer Verdienst, und dafür gebührt Ihnen unser Dank.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD
und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der Absturz bei den Beliebtheitswerten von Klaus Wowereit, die miserablen Zustimmungswerte zu der SPD-CDU-Koalition, die letztlich diesen jetzt lange angekündigten Rücktritt herbeigeführt haben, liegen sicher nicht nur am Flughafen. Ja, ich habe den Klaus Wowereit, den ich kannte, in dem miserablen Krisenmanagement beim BER nicht wiedererkannt. Der Mann, der am Kabinettstisch den kleinsten Fehler in einer Senatsvorlage entdeckt hat und imstande war, so unnachsichtig zu bohren, dass selbst gestandene SPD-Senatoren bei uns um Asyl nachgesucht haben, dieser Mann, war gegenüber der Flughafengesellschaft seltsam hilflos.

Der entscheidende Fehler war aber, dass Sie, lieber Klaus Wowereit, sich gegen den Willen der übergroßen Mehrheit Ihrer Wählerinnen und Wähler 2011 für ein Zusammengehen mit der CDU entschieden haben.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Seit jetzt drei Jahren demonstriert diese Koalition in jeder wichtigen Sachentscheidung Blockade, Stillstand oder Stümperei. Diese Koalition hat keine strategische Gemeinsamkeit. Da regiert zusammen, was nicht zusammen gehört!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und nach dem Tempelhof-Volksentscheid und dem permanenten Zickenkrieg in der Koalition, lieber Klaus Wowereit, haben Sie gesehen, dass auf dieser Veranstaltung kein Segen mehr liegt. Der Regierende hat diese Koalition für sich beendet. Er ist sicher nicht an allem, für das er verantwortlich gemacht wird, alleine schuld – im Guten wie im Schlechten –, aber er weiß, dass nicht nur in der Politik der Erfolg viele Väter hat, der Misserfolg aber eine Waise ist. Es ehrt Klaus Wowereit, dass er die ganze Last alleine wegtragen will, aber ich sage auch ganz ehrlich: Ich finde es unangemessen.

Ich bleibe dabei: Als im Sommer feststand, dass der Regierende Bürgermeister seinen Hut nimmt, hätten SPD und CDU den Weg für Neuwahlen frei machen müssen. Das wäre die ehrliche Lösung gewesen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Lieber Klaus! – Ja, wir duzen uns ja schon eine Weile. – Du hast ganz persönlich die Landespolitik über mehr als ein Jahrzehnt geprägt. Ich freue mich, dass du dieser Tage überall in Berlin noch mal richtig gefeiert wirst. Ich gönne dir das auch von ganzem Herzen und finde das auch angemessen.

Jetzt ist es Zeit, Tschüss und Danke zu sagen. Wir hätten uns dafür auch einen würdigeren Rahmen vorstellen können, aber das wollte die Koalition irgendwie nicht. Dann also diese Rausschmeißernummer am Sitzungsende. Wenn es aber für dich okay ist, ist es für uns auch okay. Ich wünsche dir alles Gute, wir sehen uns!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD,
den GRÜNEN und den PIRATEN]

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