Generalaussprache zum Doppelhaushalt 2014/15

Udo Wolf

Die Erfolgsgeschichten der Koalition sind laut Udo Wolf ein Ausmaß an Wirklichkeitsverweigerung, Wahrnehmungsstörungen und Dreistigkeit.

aus dem Wortprotokoll

40. Plenarsitzung
Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 2014 und 2015

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2014 und 2015 (Haushaltsgesetz 2014/2015 – HG 14/15)

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses
Drucksache 17/1400

zur Vorlage – zur Beschlussfassung –
Drucksache 17/1100

Zweite Lesung

sowie

Anlage – Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 2014 und 2015

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 17/1100-1

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-2

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-3

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-4

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-5

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-6

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-7

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-8

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-9

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/1100-10

Ich werde unter den Unterpunkten a bis k die Beratung der jeweiligen Einzelpläne bzw. Kapitel aufrufen.


Zusätzlich werden zum Tagesordnungspunkt 1 einbezogen unter l und m Anträge der Fraktion Die Grünen zur Annahme zweier Entschließungen I und II, Drucksachen 17/1359 und 17/1360.

Präsident Ralf Wieland:

Vielen Dank, Herr Kollege Graf! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Wolf das Wort.

Udo Wolf (LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja herzallerliebst, wie Herr Saleh und Herr Graf die Erfolgsgeschichten ihrer Koalition erzählt haben. Ich war auf einiges gefasst, aber es tut mir leid: Auf dieses Ausmaß an Wirklichkeitsverweigerung, Wahrnehmungsstörung und Dreistigkeit bin ich leider nicht vorbereitet.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Der Regierende kann ja offensichtlich von Erfolgsgeschichten nicht genug bekommen. Die Erfolgsgeschichte Flughafen ist noch nicht zu Ende geträumt, da träumt er schon die nächste. Seine Vision ist es, dass Berlin Geberland im Länderfinanzausgleich wird.

[Lachen bei der LINKEN und den PIRATEN –
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Ja!]

Ich will mich über diese überspannten Träumereien gar nicht lange lustig machen. Das Schlimme dabei ist doch, dass diese Aussage ganz deutlich macht, wie diese Koalition tickt und wie sie ihre Haushalte strickt. Sie fragen nicht danach, was die Stadt braucht und was getan werden muss, dass sie für alle hier lebenden Menschen gut funktioniert und ein lebenswerter Ort ist. Sie unterwerfen alle Politik nur einem Ziel: der schwarzen Null und dem Abbau der Altschulden. Sie sind bereit, dem fast alles unterzuordnen. Da wird die schwarze Null zum Selbstzweck, zum Fetisch gemacht. Das ist das eigentliche Drama Ihrer Träumereien.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN –
Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Da sind wir Zeuge, wie diese Koalition versucht, mit einer Mischung aus Trickserei und Täuschung haushaltspolitisch über die Runden zu kommen. Herr Saleh und Herr Graf! Da mussten wir uns in den Fachausschüssen immer wieder dieses Mantra zu den über 60 Milliarden Euro Altschulden anhören. Immer wieder, wenn die Opposition einen Vorschlag gemacht hat, sinnvoll zu investieren, und selbst dann, wenn ein Koalitionspolitiker einen lichten Moment hatte und einen Vorschlag für Ausgaben von nur ein paar tausend Euro gemacht hat, kam das Totschlagargument mit den Altschulden. Und heute wieder! Ich wette, der Regierende und der Finanzsenator erzählen uns nachher auch wieder dieses Zeug. Tun Sie uns allen den Gefallen, lassen Sie endlich diesen Unsinn!

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN) und
Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Alle wissen Bescheid, was die Altschulden bedeuten. Sie, Herr Nußbaum, haben es ja selbst schon öffentlich zugegeben, dass es aus dem Berliner Landeshaushalt keine seriöse Tilgungsperspektive für die Altschulden gibt. Da muss der Bund ran. Das wissen wir, und das wissen Sie. Weder die rot-rote Vorgängerregierung noch die jetzige Regierung und schon gar nicht die Berlinerinnen und Berliner, die die Sparmaßnahmen der letzten Jahre erdulden mussten – wir haben diese Altschulden nicht zu verantworten. Wir haben über zehn Jahre lang unter großen Anstrengungen das getan, was auf Berliner Ebene getan werden kann. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, einen ausgeglichenen Primärhaushalt zu haben. Das war nicht leicht, aber wir haben das hingekriegt. Und es war auch richtig.

[Ramona Pop (GRÜNE): Jetzt kommt
die rot-rote Erfolgsgeschichte!]

Berlin ist wirtschaftlich und strukturell aufgeräumt an diese Koalition übergeben worden.

[Lachen bei der CDU –
Oliver Friederici (CDU): Das ist ja – – ]

Auch deshalb gibt es jetzt Mehreinnahmen. Und endlich gibt es die Möglichkeit, ganz normale Haushaltsberatungen zu führen. In dieser Situation, in der die Einnahmen ordentlich laufen, in der man keine neuen Schulden aufnehmen muss und die vielleicht nicht ewig anhält, muss man doch die Frage beantworten: Was braucht die Stadt? Was brauchen die Menschen in dieser Stadt? Was brauchen sie dringend, und wo muss man strukturell investieren?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Aber anstatt seriös über Schwerpunkte zu diskutieren, benutzen Sie die Altschulden weiter als Disziplinierungsmittel für Ihre Koalitionäre, die einfach zu faul sind, sich ernsthaft mit dem Haushalt zu beschäftigen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Zuruf von Ole Kreins (SPD)]

Ja, liebe sozialdemokratische Kolleginnen und Kollegen, zu faul. Denn wenn Sie in Berlin wirklich linke Politik machen wollten, Herr Saleh – der ist, glaube ich, jetzt gerade rausgelaufen, holla, Mensch, eine spannende Haushaltsdebatte mit Herrn Saleh, der seriöse Finanzpolitiker – also, wenn Sie wirklich linke Politik machen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der deutschen Sozialdemokratie, dann wäre es Ihre Aufgabe gewesen, die Zahlen von Herrn Nußbaum zu überprüfen. Monatelang hat er mit seinen Voodoozahlen versucht, die Stadt über die wahre Einnahmesituation zu täuschen. Die Opposition, Frau Schmidt und Herr Esser, haben es Ihnen vorgerechnet, bis Sie endlich zugeben mussten, dass Berlins Haushaltsergebnis 2013 gut 1,1 Milliarde Euro besser ist als geplant, und da ist der Zensus schon eingerechnet. Und nun behaupten Sie, dass es vernünftig ist, damit vor allem Altschulden abzubauen. Aber das ist falsch! Es ist volkswirtschaftlich und damit auch auf längere Sicht finanzpolitisch dumm, ein ganz großer Fehler.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Die Wahrheit ist, dass wir trotz Zensus auch in den nächsten Jahren mit Mehreinnahmen rechnen können, dass wir ohne neue Kredite auch in die Infrastruktur der Stadt, den öffentlichen Dienst und in die Bildung investieren können. Und dass wir in die Infrastruktur, die Daseinsvorsorge, den sozialen Zusammenhalt und die Zukunft investieren müssen, weiß jeder, der die Augen aufmacht. Besuchen Sie mal ein Amt, fahren Sie mal S-Bahn, schauen Sie mal auf die Betriebskostenabrechnung einer normalen Mietwohnung! Sie fahren das Gemeinwesen Berlin auf Verschleiß, obwohl die Mehreinnahmen anderes möglich machen. Sie lassen die Chancen ungenutzt verstreichen, und das ist unverantwortlich.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Stattdessen sind Sie den Tricksereien von Finanzsenator Nußbaum auf den Leim gegangen. Ja, meine Damen und Herren von SPD und CDU, Sie haben sich von Herrn Nußbaum austricksen lassen. Sie alle haben seinen unpolitischen Blick auf die Stadt übernommen. Denn Politik, das ist vor allem Gestaltung des Öffentlichen. Nur, diese Koalition in Berlin gestaltet überhaupt nichts. Sie haben nicht einmal gewollt. Denn wenn Sie etwas gewollt und es auch im Haushalt abgebildet hätten, dann hätten wir uns darüber streiten können, ob Sie die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben. Aber das haben Sie nicht. Sie haben keine Idee, keinen Plan für diese Stadt. Herr Saleh, das stimmt einfach, wir müssen es immer wieder wiederholen. Legen Sie einen Plan für die Stadt vor, entwickeln Sie mal eine politische Idee, dann können wir uns ja darüber streiten. Aber da ist nichts. Da ist nichts außer Worthülsen.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Und darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, verwalten Sie sie auch noch schlecht. Sie erkennen in Ihrer großkoalitionären Selbstgenügsamkeit ja nicht mal die Großprobleme und Herausforderungen der Zukunft, wenn sie direkt vor Ihrer Nase stehen. Nichts von Ihren Erfolgen, die Sie hier berichtet haben, ist seriös im Haushalt abgebildet, Herr Saleh. Und Sie brüskieren außerdem mit dem, was Sie hier erzählen, viele, die es in den letzten Jahren überhaupt erst möglich gemacht haben, dass Berlin finanziell besser dasteht – allen voran der öffentliche Dienst in unserer Stadt. Frau Pop hat schon darauf hingewiesen: Es waren die Beschäftigten des Landes und nicht die Herren Sarrazin und Nußbaum, die dafür bezahlt haben, dass Berlins Finanzen wieder in Ordnung kommen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Es waren die Beschäftigten des Landes, die über den Solidarpakt über Einkommensverzicht, Arbeitszeitverdichtung und Personalabbau strukturell über eine Milliarde dem Landeshaushalt eingespart haben. Und sie hatten ein Versprechen des Senats: Wenn es Berlin wieder besser geht, sollten sie für ihren Verzicht auch belohnt werden. Was aber machen SPD und CDU? Sie bestrafen den öffentlichen Dienst. Sie denken sich immer mehr Aufgaben aus, aber von einem Stopp des Personalabbaus ist keine Rede. Kein Personalentwicklungskonzept, es gibt von Ihnen nichts, was den Namen wirklich verdient.

[Beifall bei der LINKEN –
[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Eckpunkte für ein solches Personalentwicklungskonzept vorgelegt. Wir haben darüber mit Gewerkschaften, Personalräten, Wissenschaftlern, Fachleuten diskutiert. Das wäre Ihre Aufgabe als Regierung gewesen. Sie sind jetzt über zwei Jahre am Ruder, und es ist auch schon wieder fast ein Jahr her, dass auch Ihre Fraktionen zugegeben haben, dass es ein Konzept für die Zukunft des öffentlichen Dienstes in Berlin braucht. Aber es passiert nichts. Obwohl alle wissen: Wenn jetzt beim öffentlichen Dienst nichts gemacht wird, bricht er spätestens 2017 zusammen. Es ist komplett irre und verantwortungslos, was Sie da treiben.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Und dann freut sich jetzt die CDU, dass Herr Henkel doch noch ein paar Objektschützer einstellen darf, vorausgesetzt, er spart sie woanders wieder ein.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Was für eine Lachnummer! Der Innensenator, der stellvertretende Regierungschef

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Die schwarze Null!]

bekommt im Senat nicht mal einen Bruchteil dessen durchgesetzt, was er nach eigenen Aussagen angeblich braucht. Der starke Mann der Berliner CDU kommt dann mit leeren Händen in den Fachausschuss und jammert der Opposition die Ohren voll, das Parlament als Haushaltsgesetzgeber solle seinen Senatsentwurf bitte in seinem und im Sinne der Öffentlichkeit korrigieren.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Der soll mal
Ultimaten setzen!]

Die Opposition stellt Anträge, die werden abgelehnt. Die Koalition im Fachausschuss formuliert untertänigst Bitten und Wünsche an den Hauptausschuss. Den lässt das – wie zu vermuten war – völlig kalt. Frank Pontius Pilatus Henkel wäscht seine Hände in Unschuld. Wie erbärmlich ist das denn?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und dann muss ich noch einen Satz zu den Beamten und ihrer Besoldung sagen. Das, was SPD und CDU da jetzt machen, ist eine ziemliche Sauerei.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Anpassung der Besoldung der Berliner Beamten an den Bundesdurchschnitt war unter Rot-Rot direkt mit dem Abschluss des Tarifvertrags vereinbart worden. Innensenator Dr. Körting, Herr Saleh, hatte das für Senat und Koalition damals öffentlich versprochen. Da waren die erheblichen Steuermehreinnahmen für das Land noch nicht absehbar gewesen. Und damals hat besonders die CDU alle rot-roten Vereinbarungen als völlig unzureichend abgelehnt. Nun sitzt die CDU in der Regierung, und es steht sogar mehr Geld im Landeshaushalt zur Verfügung, als absehbar war, und was passiert? Die SPD bricht das von ihr selbst gegebene Versprechen, erinnert sich nicht mal mehr an den eigenen Innensenator Körting. Die CDU, die selbst weiß und beschlossen hat, dass jetzt 3,5 Prozent Besoldungsanpassung nötig wären, um die Schere bis 2017 schließen zu können, also SPD und CDU beschließen jetzt 2,5 Prozent, wollen sich für das generöse Geschenk feiern lassen und wissen ganz genau, dass die Schere größer anstatt kleiner wird. Das ist die Haushaltspolitik von Hütchenspielern!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das Täuschen hat Methode. Bei der City-Tax hat der Senat gegenüber der freien Kulturszene Versprechen gemacht. Jetzt soll sie höchstens noch ein paar Krümel bekommen, vorausgesetzt, die City-Tax bringt mehr ein als erwartet. Das ist schlicht und einfach politischer Betrug.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Und diese Methode zieht sich durch Ihren Haushalt genauso wie die Methode Sparen durch Dummheit. Trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung in Berlin, zu der diese Koalition noch nichts Eigenes und nichts Aktives beigetragen hat, ist Berlin immer noch die Hauptstadt der Langzeiterwerbslosen, Frau Kolat. Dass Sie zur Förderung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen, die von der guten Konjunktur nicht profitieren, weniger Geld brauchen, ist doch einfach nur absurd. Weil Sie nicht in der Lage waren, die Programme zur Förderung von Langzeitarbeitslosen umzusetzen, hat Ihnen der Finanzsenator dafür das Geld gestrichen. Guinessbuchverdächtig – die dümmste Sparmaßnahme aller Zeiten.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Aber diese Sparmaßnahme wird noch getoppt von der Wirtschaftssenatorin. Die hat in diesem Jahr den größten Ausfall von GRW-Geldern seit der Wirtschaftskrise 2009 zu verantworten. 50 Millionen verfallen in einem Jahr. Die Wirtschaftsförderung der CDU ist ein einziger Offenbarungseid.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Ich will Ihnen gern noch einmal ein paar Beispiele sagen, was die Koalition an Schwerpunkten hätte setzen können, was unsere Fachpolitiker und unsere Haushaltsgruppe in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert haben. Besonders die SPD betont ja immer wieder die Wichtigkeit der Bildungspolitik – völlig richtig. Aber wenn ich mir die Zahlen ansehe, kann ich gar nicht glauben, wie die Bildungspolitiker der Koalition sich haben kleinmachen lassen. Aber Sie hätten doch Geld gehabt! Sie hätten auch die Posse um die Kürzung von 19 Schulsozialarbeiterstellen nicht wochenlang aufführen müssen! Sie hätten das Geld gehabt, um die Inklusion voranzubringen! Aber da wird auf Zeit gespielt. Auf welche Zeit warten Sie denn? – Dass die Konjunktur wieder schlechter wird? Auf die Zeit, wenn das Geld wieder knapper ist als jetzt? Welcher Logik folgt das?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Die Bezirke sind eine unverzichtbare Säule der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie halten viele Angebote für die Bürger dieser Stadt bereit mit Bürgerbüros, Bibliotheken, Jugend- und Senioreneinrichtungen. Die Bezirke wollen, dass ihre Schulen in gutem Zustand sind. Die Bezirke wollen ihre Parks und ihre öffentlichen Plätze attraktiv gestalten. Aber was bekommen die Bezirke von Ihnen zu hören? – Kein Geld da! Es ist ein klarer Bruch des Versprechens der Herrn Saleh und Graf aus dem Frühsommer, auf das die Bezirke gebaut haben.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Der Frühsommer
der Entscheidungen!]

– Ja, genau, der Frühsommer der Entscheidungen, der Ankündigungen und des sinnfreien Geredes! –

[Lachen bei der LINKEN]

Und dazu noch die Verhöhnung durch Herrn Nußbaum, die Bezirke seien so reich, dass sie sogar Überschüsse machen würden. Sie machen die Bezirke durch Ihre Ignoranz kaputt! Und wenn mal ein sozialdemokratischer Bezirksbürgermeister die Traute hat, Widerworte zu geben, kriegt er noch Strafzahlungen aufgebrummt. Das ist alles so schäbig und ökonomisch dumm, man macht sich gar kein Bild davon!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Mieten- und Wohnungspolitik sind unbestreitbar eines der aktuell wichtigsten Themen für den sozialen Zusammenhalt der Stadt. Dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu einem zentralen Instrument sozialer Wohnungspolitik werde müssen, wird kaum noch jemand bestreiten können. Aber: Wenn Sie die Wohnungsbaugesellschaften zwingen, Neubau zu sozialen Mieten zu errichten, ihnen gleichzeitig dafür aber kein Geld geben, machen Sie Wohnungspolitik auf dem Rücken der Bestandsmieter. Eine halbe Million Berliner Mieterinnen und Mieter müssen für Ihre Pläne bezahlen. Das ist völlig inakzeptabel!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Gleichzeitig steigt die Gefahr, dass die Wohnungsbaugesellschaften mittelfristig wieder in die wirtschaftliche Schieflage geraten, so wie es schon unter einer großen Koalition der Neunzigerjahre passiert ist. Hören Sie auf mit dem Gerede vom Mietenbündnis! Alle, die sich ein wenig auskennen, wissen doch: Ohne zusätzliches Geld aus dem Landeshaushalt ist eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik nicht möglich. Das Land muss endlich seiner Verantwortung gegenüber den eigenen Gesellschaften gerecht werden, sowohl was die notwendige Neuausrichtung der Geschäftspolitik als auch die Finanzen angeht. Wir wollen 100 Millionen Euro pro Jahr mehr Eigenkapital – nicht Kredite, Herr Saleh, Eigenkapital! – für die Wohnungsbaugesellschaften und jährlich 30 Millionen Euro für einen Fonds, aus dem sozialer Wohnungsbau zu fördern ist, der den Namen auch verdient! Das Geld ist da, und es wäre gut angelegt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Saleh! Hier geht es doch nicht um die Frage, wer baut jetzt wie schnell wie viele neue Wohnungen. Hier geht es vor allem darum, denen Wohnungen zur Verfügung zu stellen, die sich am Wohnungsmarkt nicht selbst versorgen können. Es geht um eine elementare soziale Frage, liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten! Und Sie sind nicht einmal in der Lage, Ihre Ziele zu bestimmen und konzeptionell zu unterlegen!

[Matthias Brauner (CDU): Stimmt doch gar nicht!]

Das Einzige, was Sie wissen, ist, dass Sie neu bauen lassen wollen. Mit Neubau allein wird man aber das Problem bezahlbarer Mieten nicht lösen. Eigentlich wissen Sie das, und Herr Müller weiß es auch.

[Beifall bei der LINKEN]

Es ist ja nicht ganz einfach zu sagen, wie viel Geld wir für ein funktionierendes Stadtwerk am Ende wirklich brauchen. Ich sage Ihnen auch, warum das so ist: Es ist noch nicht entschieden worden, wie das Stadtwerk funktionieren soll.

[Joachim Esser (GRÜNE): Nicht mal, wer es macht!]

– Genau, Herr Esser! – Erst muss man wissen, was man politisch will, dann muss man errechnen, was das kostet, und dann muss man diese Kosten im Landeshaushalt abbilden. Bei Ihnen scheitert aber schon der erste Schritt. Seit über einem Jahr ist die Situation folgende: Die SPD hat Gesinnung, aber kein vernünftiges Konzept. Die CDU sagt: Warum Konzept? Wir finden das Stadtwerk sowieso doof! – Der Regierende Bürgermeister hat sich vor vier Wochen das erste Mal mit der Frage beschäftigt, nachdem er sich zwei Jahre lang den Rosenkrieg zwischen Nußbaum und Müller, zwischen SPD und CDU zum Thema angeguckt hat. Die Obstruktion gegen Stadtwerk und Rekommunalisierung der Netze hat er billigende in Kauf genommen, wenn er sie nicht sogar selbst betrieben hat. Im Bereich der Rekommunalisierung gibt es nur Bekenntnisse der SPD, Formelkompromisse in der Koalition und Murks in der Umsetzung.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Und dann Ihre wunderbare Wasserpreissenkungsankündigung! Frau Pop hat es Ihnen ja schon erklärt, Herr Saleh: Sie verschulden das Unternehmen! Die Wasserpreissenkung bezahlen jetzt die Beschäftigten mit der Streichung von 400 Stellen, weil Sie 400 Millionen Euro aus 2013 – – Das Geld ist da! 2013, nicht 2014, 2015, noch mal nachdenken! 2013, deswegen die Forderung mit dem Nachtragshaushalt! Also ein bisschen überlegen, bevor man so Sachen plappert!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Weil Sie 400 Millionen Euro lieber ins Schuldenloch werfen, als nachhaltig zu investieren, schmeißen Sie gleich 400 Beschäftigte hinterher. Und jetzt sagen Sie heute, die Geschäftsleitung soll das noch mal überdenken. Das ist keine linke Politik, Herr Saleh, das ist eine bodenlose Frechheit!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Den von uns vorgeschlagenen Weg – nachhaltige Preissenkungen auch für Abwasser, ohne dass der Haushalt dauerhaft belastet wird – wollten Sie nicht gehen. Sie haben nicht mal darüber nachgedacht.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ist ja auch schwierig!]

Sie waren auch zu arrogant und zu faul dazu, einen Teil der Mehreinnahmen Berlins aus 2013 – Herr Saleh, 2013! – für den Rückkauf der Wasserbetriebe zu verwenden.

Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel dafür, dass dieser Senat seine Arbeit einfach nicht macht. Bei den Berliner Bäderbetrieben gibt es große Probleme. Hintergrund ist natürlich der riesige Investitionsbedarf, der aufgrund der bis vor Kurzem radikal angespannten Haushaltslage nicht zu finanzieren war. Heute stellt sich die Lage anders da, aber der Senat hat einfach seine Arbeit nicht gemacht. Es ist klar, dass einiges passieren muss, damit die Berliner Schwimmbäder wieder zu attraktiven Sport- und Freizeiteinrichtungen werden, und zwar mit Eintrittspreisen, die sich alle leisten können. Der Senat, in diesem Fall Herr Henkel als Sportsenator, lässt aber alles schleifen. Alle sehen, dass die Bäder marode sind und allenfalls halbherzig saniert werden. Weiter sinkende Zahlen von Badegästen sind die Folge. Aber: Kein Investitionsprogramm für die Berliner Bäder in Sicht, nicht einmal Zahlen liegen auf dem Tisch. Ihre Arbeit ist so miserabel, dass Sie noch nicht einmal dem Parlament die Möglichkeit geben, das Notwendige zu beschließen, Herr Henkel!

Ich weiß, dass Landespolitik beileibe nicht alles regeln kann und nicht für alles zuständig ist. Der Verkehrsbereich wird aber ganz maßgeblich von ihr verantwortet. Dieser Verantwortung werden Sie sich nicht entziehen können. Ich fange mit der SBahn an und werfe noch mal einen Blick zurück. Wir Linke wollten, dass das Land Berlin selbst die notwendigen neuen SBahnzüge bestellt. Die SPD hat das nicht mitgemacht – nicht wahr, Herr Wowereit, wir erinnern uns!

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Zu Recht!]

Jetzt haben wir die große Koalition. Nun hat die SPD eingesehen – also die SPD, nicht Herr Wowereit, wie wir gerade gehört haben –, dass es aus mehreren Gründen sinnvoll ist, dass das Land die Züge bestellt. Das Problem ist jetzt: Die CDU will nicht. – Das müssten die SBahnnutzer ausbaden. Jetzt stehen Sie in der Kälte, wenn der Zug nicht kommt und kommen zu spät zur Arbeit, nur weil SPD und CDU ihren Job nicht machen. Sie halten weiter an der Ausschreibung der SBahnbeschaffung fest. Schon jetzt sind Sie dem Zeitplan hoffnungslos hinterher, aber Sie verschließen fest die Augen vor dem, was da droht. Es ist zu befürchten, dass sich der SBahnnotstand der letzten Jahre noch verschlimmern wird,

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

und zwar nicht nur vorübergehend, sondern für einen Zeitraum bis Anfang der 2020er-Jahre. Nur zum Nachlesen: Wir werden uns diesen Schuh nicht anziehen lassen! Wir werden sagen, dass es die verkehrspolitische Unfähigkeit von SPD und CDU war, die diese Situation sehenden Auges herbeigeführt hat!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Während Sie bei der SBahn eigentlich alles falsch machen, machen Sie vielleicht vorsichtshalber bei der BVG mal lieber gar nichts. Auch hier müssten Sie aber sagen, was notwendig ist. Die Stadt wächst, neue Wohnquartiere entstehen, der Autoverkehr soll und wird zurückgehen, der öffentliche Nahverkehr muss deshalb ausgebaut werden, quantitativ als auch qualitativ. Wo ist Ihr Konzept dafür? Wo müssen neue Straßenbahnlinien hin, wo Buslinien? Wie steht es um neue Züge für die Linie U 1 bis U 4? Welche Kosten werden dafür entstehen? – Alles nicht da, und entsprechend auch keine Mittel dafür im Haushalt!

Ich stelle fest: Ohne Not fahren SPD und CDU diese Stadt infrastrukturell und sozial auf Verschleiß. Wir haben Ihnen immer wieder die Einnahmesituation vorgerechnet und den Finanzsenator gezwungen, seine ungeplanten Mehreinnahmen Stück für Stück offenzulegen und zuzugeben. Wir haben vorgeschlagen, durch eine realistische Veranschlagung der Steuereinnahmen, Rückflüsse und Bundesmittel die Einnahmesätze um knapp 500 Millionen Euro pro Jahr anzuheben. Das ist gemessen an den Überschüssen aus 2013 ausgesprochen konservativ gerechnet. Wir haben konkrete Mehrausgaben um rund 275 Millionen Euro für 2014 und 365 Millionen Euro für 2015 vorgeschlagen. Das sind nicht alles strukturelle Mehrausgaben – damit Sie aufhören mit dieser Mär.

Wir haben diese Mehrausgaben vorgesehen für eine soziale Wohnungspolitik, für den öffentlichen Dienst, für ein lebensfähiges Stadtwerk, für S-Bahn und BVG und für den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt. Sie sehen, liebe sozialdemokratische Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie uns folgen würden, hätten Sie eine Chance, linke Politik zu machen!

[Beifall bei der LINKEN]

Sie müssten dafür keine neuen Kredite aufnehmen. Es gäbe sogar noch Puffer für weitere Erfolgsgeschichten des Regierenden Bürgermeisters. Sie haben sich dagegen entschieden. Sie haben sich entschieden, lieber dumm zu sparen anstatt klug zu investieren. Das macht die Linksfraktion nicht mit, deshalb werden wir Ihren Doppelhaushalt 2014/2015 ablehnen.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Vizepräsidentin Anja Schillhaneck:

Vielen Dank, Herr Wolf! –

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