Generalaussprache zum Einzelplan 03

Dieser Haushalt leistet keinen signifikanten Beitrag den Sanierungsstau aufzulösen, er löst in keiner Weise das Personalproblem im öffentlichen Dienst und gibt keine Antwort auf die Herausforderungen der wachsenden Stadt.

aus dem Wortprotokoll

73. Sitzung
Generalaussprache zum Einzelplan 03

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 (Haushaltsgesetz 2016/2017 – HG 16/17)

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses
Drucksache 17/2600

zur Vorlage – zur Beschlussfassung –
Drucksache 17/2400

Zweite Lesung

sowie

Anlage – Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 2016 und 2017

und

Austauschseiten im Band 4 – Einzelplan 05

hierzu:

Änderungsanträge der Fraktion Die Linke
Drucksache 17/2600-1 bis 17/2600-20

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen
Drucksache 17/2600-21

Änderungsantrag der Piratenfraktion
Drucksache 17/2600-22

 

Ich werde unter den Unterpunkten a bis k die Beratung der jeweiligen Einzelpläne bzw. Kapitel aufrufen.  

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor die Einzelberatung der 15 Paragrafen miteinander zu verbinden. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 15, Drucksache 17/2400 sowie die diesem Gesetz als Anlage beigefügten Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 2016 und 2017, die Beschlussempfehlung 17/2600 sowie die bereits aufgerufenen Änderungsanträge.

Lfd. Nr. 1 a:

Generalaussprache zum Einzelplan 03
– Regierender Bürgermeister –

 

Ich eröffne damit die Generalaussprache mit einer Richtredezeit von ca. 30 Minuten pro Fraktion und rufe hierzu auch den Einzelplan 03 – Regierender Bürgermeister – ohne die Kapitel „Kulturelle Angelegenheiten“, dies sind 0310, 0312, 0313, 0314, 0319 und 0320, auf. Wir beziehen auch die Empfehlungen zu diesem Einzelplan gemäß Drucksache 17/2600 sowie den Auflagenbeschlüssen des Hauptausschusses Nummern 33 und 36 bis 38 ein.

Präsident Ralf Wieland:

– Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Kollege Wolf das Wort. – Bitte schön!

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Udo Wolf (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem jetzt so viele Dinge behauptet wurden, die gar nicht im Haushaltsplan enthalten sind, und das Maß an Realitätsverweigerung von Herrn Saleh und Herrn Graf noch einmal dokumentiert wurde, scheint es mir angebracht, in dieser Auseinandersetzung einen geschichtlichen Einstieg zu wählen.

[Torsten Schneider (SPD): Ja! –
Oh! von der CDU]

Die Älteren unter uns werden sich erinnern: Im Jahre 2001

[Oh! von der CDU]

wurde eine große Koalition abgewählt.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Ihre Hinterlassenschaft war der Ruf Berlins als Hauptstadt von Filz und Korruption, eine Mischung aus Provinz und Größenwahn. Vor allem aber lag die Hinterlassenschaft in einem strukturellen Haushaltsdefizit von 2 Milliarden Euro.

[Beifall bei der LINKEN –
Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

2 Milliarden Euro, Herr Schneider, damit Sie es verstehen, mehr Ausgaben pro Jahr im Haushalt als Einnahmen. Der Berliner Bankenskandal produzierte dazu Risiken in kaum vorstellbarer Höhe.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Beides war schwerwiegender als der damals schon hohe Schuldenstand von 40 Milliarden Euro. Und damals gab es keine Niedrigzinsphase wie heute.

[Torsten Schneider (SPD): Kommen Sie zum Haushalt, kein Geschichtsunterricht!]

Es hat lange gedauert, bis die Berliner SPD damals den Mut gefunden hat, diese für Berlin so schädliche Regierungskonstellation zu beenden. Es hat lange gedauert, bis diese lähmende Blockade gelöst wurde und die CDU zum Zuschauen auf die Strafbank verbannt wurde.

Und dann hat Rot-Rot in Berlin den Laden aufräumen müssen.

[Ah! von der CDU]

Das waren harte Jahre der Konsolidierungspolitik, mit schmerzhaften Entscheidungen, manche über das vertretbare Maß hinaus. Wir haben das nicht aus Spaß gemacht. Wir haben das getan, um vor dem Bundesverfassungsgericht die Anerkennung als Haushaltsnotlageland zu bekommen, damit Berlin Bundeshilfen erhält, um aus dieser desaströsen Erbschaft der CDU/SPD-Regierung zu kommen.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Und ja, wir haben gespart, bis es quietscht. Das Bundesverfassungsgericht hat gespottet, das wäre noch lange nicht genug. Wir haben einen Solidarpakt mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschlossen. Die Kolleginnen und Kollegen haben durch Verzicht auf Einkommen einen Großteil dazu beigetragen, dass Berlin eine Chance auf einen ausgeglichenen Haushalt bekommen hat. Ihnen, den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, gebührt der Dank dieses Hauses und der Berlinerinnen und Berliner,

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

der Dank dafür, dass dieses strukturelle Defizit abgebaut werden konnte und wir seit einigen Jahren wieder Überschüsse im Haushalt verzeichnen können.

Ja, wir haben manche Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahme geschoben, und manches hätten wir sicherlich anders entschieden, wenn wir nur ein wenig mehr Spielraum gehabt hätten. Aber alles, was wir damals getan haben, alle schmerzhaften und schwierigen Entscheidungen, die wir damals getroffen haben, all das hat den Zweck gehabt, wieder Gestaltungsspielraum in die Haushaltspolitik des Landes Berlin zu bekommen.

Jede dieser Entscheidungen war verbunden mit dem Versprechen – und ja, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben das damals mit versprochen! –: Wenn wir einen ausgeglichen Haushalt haben, wenn wir sogar wieder Überschüsse haben, dann wird in die bauliche, in die soziale Infrastruktur, in den öffentlichen Dienst, kurz: in die öffentliche Daseinsvorsorge investiert.

[Nikolaus Karsten (SPD): Ja!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Sie wissen es ganz genau: Gemessen an den Möglichkeiten, die wir gemeinsam durch die Konsolidierungspolitik eröffnet haben, gemessen an den Überschüssen, die es seit 2011 gibt – diese letzten vier Jahre rot-schwarze Koalition waren verlorene Jahre für die Stadt. Sie haben die Chancen, die es gegeben hat, vertan!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Ich erinnere auch deshalb an diese kleine Haushaltsgeschichte,

[Torsten Schneider (SPD): So ein Quatsch!]

denn was wir hier vor zwei Wochen ansatzweise gehört haben, zeigt, dass es nötig ist, Erinnerungen aufzufrischen.

[Torsten Schneider (SPD): So ein Quatsch!]

Ich sage das zunächst einmal ausdrücklich in Richtung CDU. Es ist natürlich völliger Quatsch zu behaupten, die Oppositionsvorschläge zum Nachtragshaushalt und für den kommenden Doppelhaushalt würden den Schuldenberg vergrößern oder gar verdoppeln. Mal abgesehen davon, dass Sie für diese dumme und freche Behauptung keinen Beleg liefern können: Das sagen ja dann mal die Richtigen!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Die Stadt in die Schuldenmisere geritten, 15 Jahre keinen einzigen Konsolidierungsvorschlag gemacht, und jetzt die Überschüsse ohne Sinn und Verstand zur Beute von Koalitionskungeleien zu machen

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

oder wahlweise wegzuschmeißen: Sie sollten sich was schämen!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Aus der SPD-Fraktion wurde beim letzten Mal der gleiche Unsinn erzählt. Lieber Raed Saleh! Sie und Ihr haushaltspolitischer Sprecher müssen ein bisschen aufpassen, dass Sie nicht die letzten beiden Sozialdemokraten in der Stadt bleiben, die das Rumtechteln mit der CDU für eine gute Idee halten.

[Heiterkeit bei der LINKEN –
Heiko Melzer (CDU): Gibt keinen Applaus!]

Rot-Rot hat damals den Haushalt konsolidiert. Frau Pop hat es gesagt, die Grünen haben zumindest Vorschläge zur Konsolidierung eingebracht. Die CDU aber hatte nur Forderungen fürs Geldausgeben. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die Konstellation, die Berlin in den Ruin getrieben hat, also eine Regierung aus CDU und SPD, nun die mühsam erwirtschafteten Überschüsse, die Früchte der Konsolidierungspolitik erntet und planlos verfrühstückt.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Sie denken vielleicht, und so verstehe ich auch die Zwischenrufe von Herrn Schneider:

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Wenn Sie im Wahljahr ein wenig mehr Kohle raushauen, kriegen hier alle Glitzersternchen in den Augen. – Nein, falsch gedacht! Nicht nur Haushaltsdefizite sind ein Grund, sich aufzuregen. Auch wenn Geld, das vorhanden ist, ohne Plan und ohne Verstand ausgegeben wird, ist es ein Grund, schlechte Laune zu kriegen –

[Zuruf von Iris Spranger (SPD)]

und das nicht erst in ein paar Jahren, wenn die fehlenden Investitionen noch teurer werden, sondern schon heute.

[Beifall bei der LINKEN –
Torsten Schneider (SPD): Sagen Sie mal was
Substanzielles!]

Erzählen Sie uns also nichts über seriöse Haushaltspolitik! Im Unterschied zur CDU hat meine Fraktion bewiesen, dass sie was vom Haushalt versteht.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Berlin steht im bundesweiten Vergleich, was wirtschaftliche Entwicklung und Finanzen betrifft, gar nicht so schlecht da. Daran konnten auch zwei CDU-Wirtschafts-
senatorinnen nichts ändern.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Was aber die Investitionsquote betrifft, rangiert Berlin auf dem fünftletzten Platz unter den Bundesländern. Das ist schlecht!

[Heiko Melzer (CDU): Berlin auf dem letzten Platz! Ihr wollt es doch so!]

Noch schlechter sieht es aus, wenn man betrachtet, was notwendig ist. Berlin hat insgesamt einen Sanierungsstau von ca. 12 Milliarden Euro: Straßen, Brücken, Krankenhäuser, Schulen, Bäder, zu wenig qualifiziertes Personal. Und gleichzeitig hat das Land zwischen 2012 und 2015 mehr als 2,1 Milliarden Euro an Schulden am Kapitalmarkt getilgt – mitten in einer Niedrigzinsphase, die Zinsersparnis ist also eher gering. 2,1 Milliarden Euro, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

[Torsten Schneider (SPD): Gucken Sie mal ins Morgen, Herr Wolf! Bleiben Sie doch nicht im Gestern! –
Heiko Melzer (CDU): Er ist im Vorgestern!]

Was hätte man mit dem schönen Geld alles machen können! Nur um an einem Beispiel die Dimensionen klarzumachen: Bei den Berliner Krankenhäusern haben wir einen akuten Investitionsbedarf, um einen Sanierungsstau aufzulösen, von ca. 640 Millionen Euro. Und Sie schmeißen die schönen Überschüsse ins Altschuldenloch anstatt einen seriösen Plan zu erarbeitet, wie der Sanierungsstau abgebaut werden kann. Was für ein volkswirtschaftlicher Unsinn!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Als Sie gemerkt haben, dass auch bei IHK und Handwerkskammer das Unverständnis über Ihre Nichtinvestitionspolitik wächst, als Sie gemerkt haben, dass Sie mit der Nummer nicht mehr so einfach durchkommen, Altschuldentilgung nur um der Symbolik willen zu betreiben und gleichzeitig die Stadt auf Verschleiß zu fahren, da haben Sie sich SIWA ausgedacht.

Lieber Michael Müller! Lieber Herr Kollatz-Ahnen! SIWA ist doch ein bisschen sehr Nußbaum, oder? Sie haben das doch gar nicht nötig:

[Torsten Schneider (SPD): Da machen Sie den
Bock zum Gärtner!]

ein Investitionssondervermögen, das nur dann funktionieren kann, wenn man die Einnahmeseite im Haushalt niedriger rechnet, als sie zu erwarten ist! Denn nur so landet ja Geld im SIWA, wo dann nach Kassenlage, Geschwindigkeit einzelner Bezirke bei der Anmeldung und nach Zufallsgenerator investiert wird und automatisch die andere Hälfte der Überschüsse wieder im Altschuldenloch verschwindet. Sie behaupten hier heute, 500 Millionen Euro würden über diesen Weg investiert. Von wegen! Nicht einmal 10 Prozent dieser Summe haben Sie bisher investiert über diesen Weg.

[Beifall bei der LINKEN –
Torsten Schneider (SPD): Das ist unzutreffend!]

Und wie Klaus Wowereit damals schon gesagt hat, als diese Debatte begonnen hat, das ist ein „Altschuldentilgungsfonds“. Mit nachhaltiger Investitionspolitik für die wachsende Stadt hat das nichts zu tun.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir haben nichts dagegen, wenn nichtgeplante, weil nichtplanbare Überschüsse, so ausgegeben werden und dabei auch, wenn es reicht, getilgt werden kann. Aber planbare Einnahmen und Minderausgaben gehören ordentlich in den Haushalt, zur Not in einen Nachtragshaushalt, und dann muss der Haushaltsgesetzgeber Prioritäten setzen, was mit begrenzten, aber nicht wenigen Mitteln erledigt werden muss.

[Torsten Schneider (SPD): Bisschen Technik jetzt hier! Herr Wolf macht eine Technikdebatte.]

Ein echtes Sanierungsprogramm für die öffentlichen Gebäude, insbesondere für die Schulen dieser Stadt, das wäre nicht nur ein Beitrag zur energetischen Sanierung und damit zum Klimaschutz geworden, sondern außerdem ein Konjunkturprogramm gewesen, das neue Arbeitsplätze und damit auch neue Steuereinnahmen für die Stadt generiert hätte. Aber bislang: kein Plan, keine Idee, nur die Anbetung Ihres Götzen SIWA!

Ein Plan für die Sanierung der Krankenhäuser: Was wir bisher kennen, ist nicht mal genug für den Substanzerhalt. – Eine vernünftige Eigenkapitalerhöhung für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, damit die endlich ihrer sozialen Verpflichtung nachkommen können: Herr Saleh hat behauptet, die würde jetzt kommen. In diesem Doppelhaushalt steht nichts drin. Das haben Sie für die Zeit, wenn Sie längst nicht mehr mit dieser Koalition regieren, in den Haushalt versprochen. Und zusammen mit einer vernünftigen sozialen Mietenpolitik würde so eine Eigenkapitalerhöhung mehr Sinn machen als diese ewige Publikumsbeschimpfung, wenn Bürgerinnen und Bürger berechtigte Fragen zu teuren Neubauvorhaben stellen. – Ein echtes Stadtwerk und kein Bonsai-Stadtwerk: Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wäre möglich gewesen. – Herr Buchholz! Schade drum, auch diese Chance vertan!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ein Straßen- und Brückensanierungsprogramm, das auf die wachsende Stadt ausgerichtet ist, ein Programm das auch sich verändernde Bedürfnisse der Berlinerinnen und Berliner eingeht; ich sage nur Radwege! – Ein Personalentwicklungskonzept für den öffentlichen Dienst, das den Namen verdient! Eine Angleichung der Besoldung im öffentlichen Dienst an den Bundesdurchschnitt – ein Wahlversprechen der CDU, wenn ich mich recht erinnere! Bei dem, was Sie hier machen, dauert die Angleichung noch mindestens zwölf Jahre, das wäre in 2027, und das ist noch freundlich gerechnet.

[Heiko Melzer (CDU): Und was haben Sie noch mal gemacht?]

Herr Melzer! Ich habe den kleinen historischen Ausflug gemacht, damit auch Sie verstehen, was Sie uns 2001 hinterlassen haben und was zehn Jahre lang aufgeräumt wurde. – Jetzt sind die Überschüsse da, jetzt könnte man handeln, und Sie vergeuden das schöne Geld.

[Beifall bei der LINKEN]

Was Sie machen, ist nicht viel mehr als Propaganda. Sie reden ja neuerdings gerne über Personalaufbau, eben gerade schon wieder. In Wahrheit täuschen Sie darüber hinweg, dass in den vergangenen fünf Jahren gemessen am Bevölkerungswachstum weiter Personalabbau stattgefunden hat. 2011 gab es noch 31,6 Beschäftigte pro tausend Einwohner im öffentlichen Dienst, nach Ihrem Haushaltsplan sollen es nur noch 29,7 pro tausend Einwohner sein. – Unsere Forderung, dass die Zielzahl von 100 000 Vollzeitäquivalenten im öffentlichen Dienst so schnell wie möglich aufgegeben werden muss, ist ja jetzt endlich nach drei Jahren so etwas wie Allgemeingut geworden, zumindest was die Hauptverwaltung betrifft. Und Sie fangen auch zögerlich an, bei unserem Personalentwicklungskonzept abzuschreiben.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Dagegen haben wir auch nichts, es kommt nur zwei bis drei Jahre zu spät. Wenn Sie schon abschreiben, dann machen Sie es gefälligst auch richtig!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN –
Torsten Schneider (SPD): Tosender Applaus
hier bei der Linken! –
Heiko Melzer (CDU): Ihre eigene Fraktion
glaubt Ihnen das nicht!]

An den Beispielen Polizei und Bezirke wird ja deutlich, dass Sie im Zweifel doch lieber wieder tricksen, schachern, alles Mögliche tun, aber bloß nicht weiter denken, als ihre haushaltspolitischen Sprecher ein Klavier werfen können.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Nehmen wir mal das Beispiel Polizei: Sie feiern sich, weil Sie mehr Polizisten einstellen. Übrigens jetzt schon das zweite Mal, die Nummer hatten Sie auch schon beim letzten Doppelhaushalt probiert. – Gleichzeitig lösen Sie die Einsparvorgaben nicht auf. Der vollzugsnahe Dienst wird weiter abgebaut. Die neuen Polizisten müssen dann, statt auf der Straße für Sicherheit zu sorgen, die Aufgaben des vollzugsnahen Dienstes erfüllen – also mehr Polizisten beim unterbesetzten Wachschutz oder im Büro, aber nicht bei der Kriminalitätsbekämpfung. Das nenne ich sicherheitspolitische Kompetenz, Herr Graf!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Beispiel Bezirke: Seit Jahren weisen wir auf den Personalmangel in den Bezirken hin. Insbesondere beim Thema Bürgerämter ist inzwischen jede Berlinerin und jeder Berliner schwer genervt. Sie haben kleckerweise nach jedem dritten Zeitungsbericht noch mal ein Almosen an die Bezirke gegeben – jetzt aktuell ganze 36 Stellen. Die Zielvereinbarungen mit den Bezirken zum Personalabbau bleiben aber bestehen. Seriöse Personalpolitik sieht anders aus! Und weil die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und der DGB diese Tricksereien auch sehen, kritisieren sie das auch völlig zu Recht.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Henkel! Anstatt Ihren pampigen Herrn Krömer von der Leine zu lassen, hätten Sie einfach als Personalverantwortlicher im Senat Ihre Arbeit machen sollen. Machen Sie sich endlich beim Personal und in diesem Haushalt ehrlich!

Dass diese Koalition einfach nicht regierungsfähig ist, beweist sie seit Monaten bei der Flüchtlingspolitik. Was bitte ist so schwer daran, ein vernünftiges Konzept, einen nachvollziehbaren Plan nicht nur zur Erstaufnahme von Flüchtlingen, sondern auch zur nachhaltigen Unterbringung, zur medizinischen Versorgung, für den Kita- und den Schulbesuch auf den Tisch zu legen? Es ist doch keine Zauberei, die leerstehenden Immobilien und Flächen zu prüfen, egal ob in Landes-, Bundes- oder Privatbesitz. Es muss doch herauszukriegen sein, mit welchem finanziellen Aufwand und welcher zeitlichen Perspektive diese Immobilien oder Flächen als vernünftige Unterkunft zu ertüchtigen sind, und zwar mit vernünftigen Sanitäranlagen und Standards.

Wir bekommen jede Woche Hinweise aus den Bezirken und der Bevölkerung, wo Objekte leerstehen. Wir haben Sie seit geraumer Zeit gefragt, was mit dem Haus der Statistik ist. Das steht seit 2008 leer, und es gibt einen Vorschlag von Künstlerinnen und Künstlern, dort Flüchtlingsunterkünfte und Künstlerateliers einzurichten. Was ist damit? – Was ist mit dem Gebäude des Bundesinnenministeriums in Moabit, was ist mit den leerstehenden Büroflächen, was ist mit den illegalen Ferienwohnungen, und, und, und? – Was ist mit der medizinischen Versorgung? Wann kommt endlich die Gesundheitskarte, und vor allem, wann kommt sie bei den Flüchtlingen an? Wann gibt es endlich einen Plan für ausreichend Personal im LAGeSo?

Für all das muss auch haushälterisch Vorsorge getroffen werden. Der Bund macht sich ja weitgehend einen schlanken Fuß. Was machen Sie? – Sie spielen dieses Trauerspiel der gegenseitigen eifersüchtigen Blockade, der Strategie- und Konzeptionslosigkeit. Sie lassen keine Demonstration von Überforderung aus, selbst noch in der allerkleinsten Abstimmung untereinander. – Das LAGeSo und das organisatorische Chaos haben es zu weltweiter Berühmtheit gebracht. Längst hat das LAGeSo den BER abgelöst als Synonym für Berliner Pleiten.

[Martin Delius (PIRATEN): Na?]

Und um das deutlich zu sagen: Das liegt am wenigsten an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie sind zu wenige, die sinnlose Verfahrensregelungen an einem ungeeigneten Standort irgendwie handeln müssen, und dieser Senat lässt die Leute im Stich!

[Beifall bei der LINKEN,
den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Hausspitze, der zuständige Senator, hat zwei Jahre gepennt. Dann ist er von seinem Innensenator in der Personalfrage hängen gelassen worden. Die vielen Freiwilligen, die zusätzlichen freiwilligen Pensionäre sind durch bürokratische Hürden und geradezu aufreizend lange Verfahrenswege nicht an die Stellen gekommen, wo sie gebraucht wurden. – Herr Müller! Wir haben zum Ende der Sommerpause darüber geredet, man macht so einen Aufruf an die Pensionäre, sich freiwillig zu melden. Heute, vier Monate später, kommt eine gesetzliche Grundlage dafür, dass man es auch organisatorisch hinkriegen kann – das ist doch ein Possenspiel!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)]

Und dann stellt sich Ihr Senator für Dienstreisen, Sitzungsschwänzen und Sport-Zugucken hin und sagt: Der Herr Czaja ist fleißig und macht seine Arbeit ganz toll!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)]

Machen Sie sich doch bitte nicht lächerlich hier!

Es fehlt mir die Vorstellungskraft, um mir auszumalen, wie die Situation der Flüchtlinge wäre, gäbe es die vielen aufopferungsvollen Ehrenamtlichen nicht. Ihnen kann man gar nicht genug danken. Und ich würde mir wünschen, Herr Czaja und der Senat würden sich einmal bei den Flüchtlingen dafür entschuldigen, was ihnen hier in Berlin zugemutet wird.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Wer die Situation vor dem LAGeSo und den Massen-notunterkünften kennt, kann die Geduld der Geflüchteten nur bewundern. Es ist ein kleines Wunder, dass es bisher nur selten zu Problemen mit Gewalt gekommen ist. Geduld brauchen offensichtlich auch die Betreiber der Unterkünfte, wie wir vor wenigen Tagen gehört haben: Bei denen hat der Senat inzwischen Außenstände in zweistelliger Millionenhöhe. Was hat sich eigentlich nach der Regierungserklärung, nach Ihrer Ruck-Rede, Herr Regierender Bürgermeister, getan? – Ich kann keine großen Fortschritte erkennen. Jetzt, nach einem Jahr, vier Wochen nach der Ruck-Rede stellen Sie fest, dass Herr Allert das Problem ist. Das nennt man ja wohl ein klassisches Bauernopfer.

[Beifall bei der LINKEN]

Womit bitte, Herr Müller, hat Herr Czaja denn Ihr Vertrauen zurückgewonnen? Das kann doch nicht wahr sein! Startet der jetzt durch? Was ist jetzt eigentlich mit der Konsequenz aus dieser Ruck-Rede? Passiert da jetzt irgendwas? Gibt es jetzt einen Plan? Wer arbeitet im Senat – also dort, wo die politische Verantwortung liegt – an einem nachvollziehbaren, nachhaltigen Plan, um die Flüchtlingsunterbringung endlich auf die Reihe zu kriegen? Mal abgesehen davon, dass ein solcher Plan den Geflüchteten endlich eine Perspektive aus dem Leid geben würde – ein vernünftiger Plan könnte zu einem vernünftigen Einsatz von Ressourcen führen. Das, was jetzt passiert, ist nur Stückwerk und vermutlich am Ende viel, viel teurer, als wenn man es gleich vernünftig und richtig macht.

Jetzt wollen Sie ein neues Landesamt für Flüchtlinge gründen. Das war eigentlich, wenn ich es richtig verstanden habe, das Allert-Umgehungsamt. Braucht man das jetzt eigentlich noch? Da geht es ja wieder frei nach Goethe: Wenn die Begriffe fehlen, stellt zur rechten Zeit ein Wort sich ein. – Wo soll es hin, das neue Landesamt? Gibt es dafür mehr und neues Personal? Was soll das kosten? Oder machen wir es haushaltsneutral und schrauben nur ein neues Schild an die Tür? Und jetzt zanken Sie sich auch noch darüber, ob das zum Februar, zum März oder zum Juli oder überhaupt nicht passiert! – Man steht nur noch fassungslos daneben. Wann machen Sie da endlich Ihre Arbeit, anstatt alle zwei Wochen eine neue Sau durchs Dorf zu jagen?

Jetzt hatten wir letzte Woche diesen windigen Versuch, ohne Nachweis der Notwendigkeit das Tempelhof-Gesetz zu ändern, mit Dringlichkeit. Jetzt ist den Koalitionsfraktionen nichts mehr dringlich. Da werden dann mal gemeinsam Bausenator und Regierender vorgeführt. Nicht, dass ich die Einsicht kritisieren will, dass dieser gefährliche Unsinn mit dem Tempelhof-Gesetz gestoppt werden muss – aber diese Nummer zeigt eins ganz deutlich: Diese Koalition ist in jeder wichtigen Frage blockiert. Es gibt keine Frage, in der Sie sich noch einig wären. Es gibt nur noch Formelkompromisse und windigen Koalitionsschacher!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ein nachvollziehbares Investitions- und Konjunkturprogramm, ein Personalentwicklungskonzept für den öffentlichen Dienst – das zusammen, um einen längerfristigen Plan zur Auflösung des Sanierungsstaus zu entwickeln, die wachsense Stadt nicht als propagandistische Floskel, sondern als gestalterische Aufgabe zu begreifen – denn Wohnen muss bezahlbar und menschenwürdig sein; auch für Menschen mit geringem Einkommen: für Studenten, Rentner, Transferleistungsbeziehern, Flüchtlinge –, das waren die Aufgaben, die vernünftig in diesem Haushalt abzubilden wären, da Vorsorge zu treffen, einen Masterplan für Investitionen über den Horizont dieses Doppelhaushalts hinaus aufzuzeigen – das alles haben Sie nicht geleistet. Sie sind mit der Ihnen eigenen Chuzpe mit Anlauf unter der Messlatte durchgetaucht.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Eine alte Tradition von CDU- und SPD-Regierungen haben Sie stattdessen wieder aufleben lassen: die nächtliche Ausschüttungsrunde zum Ende der Haushaltsberatung. Das funktioniert nicht nach dem Prinzip „Was braucht die Stadt?“, das funktioniert nach dem Prinzip „Welche Trophäe darf welcher Koalitionspartner nach Hause tragen?“ – Herr Saleh! Herr Graf! Dass man da den Quatsch auch noch quätscher machen kann, ist schon eine besondere Leistung!

Die Berliner SPD macht eine Umfrage zu ihrem Wahlprogramm und fragt unter anderem auch zur Kitagebührenfreiheit. Zwei Drittel der Befragten sagen – so wie im Übrigen auch alle, die etwas davon verstehen und die übrigens auch die Kitatabelle richtig rechnen können wie z. B. das Kitabündnis; selbst die zuständige Senatorin weiß es –: Es gibt im Moment viel wichtigere Probleme in der Kita als das. Zum Beispiel: Es fehlen Plätze; es müsste dringend in Qualität investiert werden; man brauchte nicht nur einen besseren Betreuungsschlüssel, nein, auch die Leiterinnen müssten freigestellt werden. – Aber Herr Saleh und Herr Schneider und der unvermeidliche Herr Buschkowsky aus dem Off: Nein! Das macht sich gut im Wahlkampf! – Das Geld, das in der Ausschüttungsrunde sinnvollerweise in die Verbesserung des Betreuungsschlüssels gehen soll, wird durch die Gebührenfreiheit auf der anderen Seite dem System gleich wieder entzogen.

Dafür bekommt die Union dieses ominöse Sicherheitspaket geschenkt, und das just in dem Moment, als der Innensenator erklärt, dass es keine Änderung der Sicherheitslage in Deutschland gibt. – Herr Graf! Sie müssen sich einfach mal sicher machen in der Frage, was Sicherheitspolitik so ist in dieser Stadt, wie das funktioniert! Fragen Sie nicht Ihren Senator, der hat davon nicht so viel Ahnung! Dass das pure Symbolik ist, was Sie mit diesem Sicherheitspaket gemacht haben, wurde im Hauptausschuss dann endgültig bestätigt:

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Keiner der Koalitionäre konnte Auskunft geben, was eigentlich in diesem Sicherheitspaket drin ist! Mann, Mann, Mann – Ihnen ist echt auch nichts mehr peinlich!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ihr Haushalt ist ein Haushalt der verpassten Chancen. Was Sie heute hier verabschieden wollen, hat immer noch keine strategische Linie, kein Konzept. Sie sind angetreten damals als die große Infrastrukturkoalition. Die einzige Begründung für Ihre Regierungsbildung war das Bekenntnis zu Großprojekten – als Beispiel dieses unsinnige Stück A 100. Der BER ist immer noch nicht fertig; die Staatsopernkrise ist dazugekommen. Das wollten Sie mit einer vollständig albernen Olympiabewerbung aus den Augen, aus dem Sinn kriegen. Zum Glück ist dieser Kelch an uns vorübergegangen. Nicht nur, dass das die größte öffentliche Geldverbrennung seit dem Bankenskandal geworden wäre – Sie hätten es auch organisatorisch verbockt. Mit Blick auf die Situation vor dem LAGeSo: Welcher verrückte Teufel hat Sie eigentlich geritten, dass Sie sich die Organisation Olympischer Spiele in Berlin zugetraut hätten?

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Gemessen am eigenen Anspruch, die große Koalition könne große Projekte und große Herausforderungen stemmen, haben Sie nicht allzu viel hinbekommen. Dieser Haushalt leistet keinen signifikanten Beitrag, den Sanierungsstau aufzulösen. Er löst in keiner Weise das Personalproblem im öffentlichen Dienst. Es gibt keine Antwort auf die Herausforderung der wachsenden Stadt. – Dieser Haushalt ist der brüchige Kitt, der eine Koalition zusammenhält, die politisch längst mausetot ist!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Sie haben im Hauptausschuss unsere Anträge abgelehnt. Wir werden Ihren Haushalt ablehnen. Er wird ohnehin die Koalitionsverhandlungen 2016 nicht überleben. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vizepräsidentin Anja Schillhaneck:

 

Vielen Dank, Herr Wolf! –

 

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