Kampf dem Faschismus

Udo Wolf

Bereits vor zwei Jahren hat Senator Körting erklärt, dass er ein erneutes NPD-Verbotsverfahren anstrebt. In Berlin sind keine V-Leute mehr in den Führungsgremien der NPD, die das Verfahren verhindern könnten.

43. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode in der Aktuellen Stunde zu »Ist Senator Körting ein Sicherheitsrisiko – wie kann der Verfassungsschutz sicher und effektiv arbeiten, wenn der zuständige Senator alles ausplaudert?«

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schon einigermaßen verblüfft über dieses Ausmaß an Heuchelei,

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD –
Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

das in den Beiträgen von CDU und FDP zum Ausdruck kommt. Da wird dem Innensenator Profilierungssucht vorgeworfen, weil er dem »ND« – danke, für den Werbeblock für die sozialistische Tageszeitung –

[Beifall bei der Linksfraktion]

ein Interview gibt und das zum Thema NPD-Verbot erzählt, was er seit drei Jahren jedem erzählt, der nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Sie erzählen hier, aus Profilierungssucht würden Geheimnisse verraten. Man könnte eigentlich sagen, es ist alles Quatsch, was Sie erzählt haben und es dabei bewenden lassen.

[Beifall bei der Linksfraktion –
Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber wir anerkennen durchaus das Bemühen der Opposition – zumindest, was die bürgerliche Opposition angeht – die Koalition, die momentan durchaus die eine oder andere Meinungsverschiedenheit hat, wieder fester zusammenzuschmieden. Deshalb will ich noch einmal aus meiner Sicht die Chronologie der Ereignisse darstellen. Der Innensenator gibt das besagte Interview und sagt nichts anderes als das, was er seit zwei Jahren sagt. Andere Zeitungen schreiben die Botschaften des »ND« ab, Sozialdemokraten, Schäuble und Schönbohm erzählen dazu ein bisschen Unsinn und hoppla haben wir hier die entsprechende Aktuelle Stunde und die Frage, ob der Innensenator dieser Stadt, der seit sieben Jahren erfolgreiche Politik macht, ein Sicherheitsrisiko darstellt. Die Geheimnisse, die der Innensenator verraten hat, sind solche – Sie könnten es wissen, Sie haben es selbst angesprochen –, die seit 2007 auf einer Pressekonferenz veröffentlicht worden sind. Diese Geheimnisse müssten Ihnen alle bekannt sein, dass nämlich die sozialdemokratischen Innenminister für ihre Länder erklärt haben, dass sie ein wesentliches Hindernis für ein Verbot der NPD aus dem Weg räumen wollen, nämlich die Existenz von V-Leuten in den Führungsgremien. Zwei Jahre danach wird man davon ausgehen können, dass sie wahrgemacht, was sie versprochen haben. Geheimnisverrat ist wirklich nicht zu erkennen. Ein Sicherheitsrisiko wäre der Innensenator, wenn er eine ähnlich lange Leitung hätte, wie Sie von der FDP,

[Beifall bei der Linksfraktion –
Beifall von Canan Bayram (SPD)]

nämlich zwei Jahre, nachdem es ausgesprochen worden ist, jetzt den Geheimnisverrat zu erkennen. Das grenzt an politische Demenz.

[Beifall bei der Linksfraktion –
Beifall von Canan Bayram (SPD) und
Markus Pauzenberger (SPD)]

Die Frage, ob man V-Leute in den Führungsgremien der NPD braucht, kann man übrigens auch komplett unabhängig von dem Thema NPD-Verbotsverfahren beantworten, wenn man sich ein bisschen mit der Materie befasst. Das, was die Geheimdienste über die verfassungsfeindlichen Inhalte und Aktivitäten der NPD erfahren können, bekommt man in der Regel dadurch heraus, dass man ins Internet guckt, die Veranstaltungen und die Zeitungsberichte beobachtet, weil die Nazis frecherweise frank und frei erzählen, was sie planen und denken. Das ist allgemein bekannt. Wenn man Verbotsverfahren anstrengen will, braucht man die Informationen von bezahlten Spitzeln in Führungsgremien nicht. Ich glaube sogar, dass die Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Umtriebe präziser abgebildet sind, wenn man nicht auf die von Eigeninteressen geleiteten Berichte von bezahlten Spitzeln angewiesen ist.

[Beifall bei der Linksfraktion –
Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der Verfassungsschutz – auf Berliner Ebene tut er das seit geraumer Zeit, Herr Kluckert müsste es wissen, Herr Gram auch – recherchiert, so wie es vernünftige Fachjournalisten machen, wie es das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum macht. Sie haben eine relativ gute Erkenntnislage darüber, was die NPD macht. Wir wissen auch, dass die Krise, in der sich die NPD momentan intern befindet, durchaus prozessrelevant ist, dass die gegeneinander vor Gericht klagen. Noch öffentlicher kann das, was die NPD plant und macht, gar nicht gemacht werden.

Was kann man aus dieser ganzen Affäre lernen? – Nicht viel. Dass sich manche Innenminister anderer Bundesländer schon nach zwei Jahren nicht mehr erinnern können, was sie selbst auf einer Pressekonferenz gesagt haben und außerdem noch gut die beleidigte Leberwurst spielen können. Dieser ganze Unsinn, die Innenminister anderer Länder würden jetzt mit Körting nicht mehr reden, der Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden stünde in Gefahr, diesen Quatsch glauben Sie doch selbst nicht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die These, der Innensenator hätte irgendwelche Quellen gefährdet, sogar an Leib und Leben, das ist völliger Unsinn. Er hat keine einzige Quelle öffentlich genannt. Er hat doch nicht gesagt, V-Leute aus den Führungsgremien, die übrigens vom Bundesverfassungsgericht enttarnt wurden in der Begründung zum NPD-Verbotsverfahren. Er hat einfach zur Kenntnis gegeben, dass die abgezogen werden müssen und dass damit eine Hürde für das Verbotsverfahren aus dem Weg geräumt wird. In der Logik, mit der Sie argumentieren, müssten Sie sagen, das Bundesverfassungsgericht hat Geheimnisse, Staatsgeheimnisse in der Begründung verraten.
Das ist doch absurdes Zeug. Soll das jetzt heißen, das Herr Hay, Schleswig-Holstein, die beleidigte Leberwurst jetzt nicht mehr mit dem BVG zusammenarbeiten darf, oder muss er auch den Staatsgeheimnisverrat anprangern? Das ist doch alles dummes Zeug, was hier erzählt wird. Sie machen hier aus einer Mücke einen Elefanten. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Wenn man über die Bekämpfung von Rechtsextremismus redet, ist die Verbotsfrage eine ernst zu nehmende Sache. Die kann man durchaus nach bürgerrechtlichen und praktischen Erwägungen unterschiedlich beleuchten. Aber es hier zu einer Posse verkommen zu lassen, so, wie Sie das hier tun, ist einfach ein Skandal.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Es ist doch absehbar: Dadurch, dass die CDU auf Bundesebene und im Bundesrat blockiert, dass sich offensichtlich die SPD ein wenig uneinig auf der Innenministerebene ist, ob sie jetzt wirklich die V-Leute abziehen sollen oder nicht, wird es in absehbarer Zeit kein Verbotsverfahren geben. Das ist bedauerlich. Der Senat hat vor geraumer Zeit beschlossen, ein solches anzustrengen. Es ist nur konsequent, dass der Senat auch versucht, das zu tun, was dem eigenen Ansinnen im Wege steht, ihm abzuhelfen, indem die V-Leute abgezogen werden.

Das NPD-Verbot bei der nachhaltigen Bekämpfung von Rechtsextremismus ist eine wichtige Frage, aber ist keine alles Entscheidende Frage. Was wir hier gerade tun im Abgeordnetenhaus ist angesichts von drei angemeldeten Veranstaltungen der NPD in dieser Stadt ausgesprochen fahrlässig, wegen des kleinen politischen Effektes, wegen eines solchen Pille-Palle-Krams, die Gemeinsamkeit der Demokraten in diesem Haus im Kampf gegen den Faschismus in Frage zu stellen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Kontakt