Steuerhinterziehung aktiv entgegentreten

Udo Wolf

Das, was sich in den Tagen der Affäre Schmitz/Wowereit abgespielt hat, ist einfach nur noch bodenlos. Er hat Steuern hinterzogen. Das ist verboten. Das dürfen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland nicht.

aus dem Wortprotokoll

43. Plenarsitzung
Priorität

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Steuerhinterziehung aktiv entgegentreten

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion auf Annahme einer Entschließung
Drucksache 17/1462

Vizepräsident Andreas Gram:

– Für die Fraktion Die Linke erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden Udo Wolf das Wort. – Bitte schön!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Moment bitte! Der Redner hat jetzt das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie können jetzt sprechen!

Udo Wolf (LINKE):

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es war ja klar: Wenn es einen gibt, der das Niveau des Krisenmanagements des Senats noch unterbieten kann, dann ist es der Schneider von der SPD.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Aber es passt ins Bild: Das, was sich in den Tagen der Affäre Schmitz/Wowereit abgespielt hat, ist einfach nur noch bodenlos. Damit kein Missverständnis entsteht: Ich kann André Schmitz persönlich gut leiden. Er ist ein angenehmer Mensch, und er hat zweifellos große Verdienste um die Berliner Kulturpolitik. Aber André Schmitz hat einen großen Fehler begangen: Er hat Steuern hinterzogen. Das ist verboten. Das dürfen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland nicht. – Herr Henkel guckt ganz aufmerksam. – Ich erkläre es Ihnen gerne!

[Lachen bei der LINKEN, den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Ein Staatssekretär ist als hoher politischer Beamter nichts anderes – er darf es aber erst recht nicht. Und ein hoher politischer Beamter der SPD, die im Bundestagswahlkampf der Steuergerechtigkeit das Wort redete und den Kampf gegen Steuerhinterziehung propagierte, darf das gleich zweimal nicht.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Ich habe keine Ahnung, warum André Schmitz einen solchen Fehler gemacht hat. Aber ihm muss spätestens mit Beginn der Ermittlungen klargeworden sein, dass das Konsequenzen haben muss. – Und spätestens, seitdem Sie davon erfahren haben, Herr Wowereit, hätten Sie ebenfalls über Konsequenzen nachdenken müssen. Das Ganze hat doch – wenn man nicht vollständig abgestumpft ist, muss man das sofort merken – neben der rein juristischen eine zutiefst politische und moralische Dimension. Man kann doch nicht 13 Jahre lang den Menschen in Berlin erklären, dass wir Kultureinrichtungen schließen, Förderungen streichen und vieles mehr müssen, mit der Begründung, Berlin hat kein Geld, und ein Spitzenbeamter dieser Regierung betrügt den Staat um die ihm zustehenden Einnahmen!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Und dann, Herr Wowereit, soll das keine politischen Konsequenzen haben, solange es halt nicht rauskommt? –Ist es das, was Sie gedacht haben? Oder fanden Sie: Selbst wenn es rauskommt, dann ist es halb so schlimm? Haben Sie deshalb Ihre Abwägung nicht dokumentiert, weil es für Sie gar nichts abzuwägen gab? – Mir scheint, die politisch-moralische Seite hat Sie genau wie die rechtliche Seite damals einfach nicht interessiert. Das hat Sie auch jetzt nicht interessiert. Sonst hätten Sie Schmitz nicht erst entlassen, es dann wieder zurückgenommen und ihn in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Was ist denn das für eine peinliche Posse? Wann haben Sie denn überhaupt einmal juristisch in dieser Frage etwas geprüft?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Aber anscheinend ist Ihnen das mittlerweile alles nach dem Motto egal: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert. – Das ist eines Regierungschefs und eines obersten Dienstherrn einfach unwürdig!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. – Ja! Das ist ein Zitat aus einem Parteitagsbeschluss der SPD. Der Regierende Bürgermeister hat es heute in einem „Morgenpost“-Interview endlich einmal gesagt – zwar nicht hier in diesem Hause, aber immerhin öffentlich:

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Hier geht es nicht um Falschparken. Steuerhinterziehung ist eine Straftat. Hier wird der Allgemeinheit, den Menschen und Einrichtungen, die auf den Staat angewiesen sind, Geld entzogen. Das ist zutiefst unsozial.

Liebe Sozialdemokraten und lieber Finanzsenator! Was aus dieser Straftat einen politischen Skandal macht, ist der Umstand, dass der Senat und der Regierende Bürgermeister die ganze Sache trotzdem wie ein Kavaliersdelikt behandelt haben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Warum hat der Regierende nicht ohne Ansehen der Person alle disziplinarrechtlichen Maßnahmen geprüft, die im Fall einer solchen Straftat in Frage kommen? Der Justizsenator, der Finanzsenator und der Regierende Bürgermeister – Sie alle haben von den Ermittlungen gewusst, aber Sie haben nicht gehandelt – weder juristisch noch politisch.

[Zuruf: Noch moralisch!]

Die Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger ist klar: Politik ist ein verkommenes Geschäft. Im Wahlkampf wird von der SPD der Kampf für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerhinterziehung so vollmundig propagiert, dass manche schon Angst hatten, der Kanzlerkandidat Steinbrück zieht gegen die Schweiz in den Krieg. Hier in Berlin gibt es nicht einmal eine disziplinarrechtliche Prüfung. Erst als die ganze Sache herauskommt, besorgt sich der Regierende Gutachten, die seine Handlungsweise decken sollen. Das ist ganz schön armselig.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Diese Koalition stolpert ideen- und strategielos durch die Landespolitik, sie fährt die Stadt auf Verschleiß und verspielt ihre Zukunftschancen. Herr Schneider, wenn Sie bei den Haushaltsberatungen richtig aufgepasst hätten, hätten Sie erfahren, was wir im Unterschied zu Ihnen mehr bei Personaleinstellungen gefordert haben. Diese Koalition ist, Kriterien, politischen Anstand und Kultur betreffend, ein einziges Desaster.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Da gibt es den Mitternachtsnotar als Justizsenator, den falschen Doktor als Fraktionschef, den Staatssekretär in der rechtsextremen Burschenschaft, den mangelnden Aufklärungswillen, das Herumgelüge in Sachen NSU-Skandal, das Tricksen mit Zahlen in Haushaltsberatungen, und, und, und. Und jetzt kommt noch die Steuerhinterziehungsaffäre.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, lieber Kollege Schneider, lieber Raed Saleh! Sie sind am Zug. Welche Konsequenzen wollen Sie ziehen? Oder soll das alles wieder mit dem allgemeinen Bekenntnis der Sozialdemokratie zur linken Politik mit der CDU ausgesessen werden? Machen Sie deutlich, dass Steuerhinterziehung nicht einfach etwas Grenzwertiges ist, wie hier manche formulieren, sondern dass hier klar eine Grenze überschritten wurde. Machen Sie einen kleinen Schritt zu Ihrer eigenen politischen Resozialisierung. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Vizepräsident Andreas Gram:

Danke, Herr Kollege Wolf! –

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