Mit sozialem Fortschritt aus der Krise - Warum die Stadt sozial und ökologisch umgebaut werden muss

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Vorhaben der Fraktion in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode und darüber hinaus

Udo Wolf, Jutta Matuschek, Uwe Doering, Martina Michels

Mit sozialem Fortschritt aus der Krise -
Warum die Stadt sozial und ökologisch umgebaut werden muss

Vorhaben der Fraktion in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode und darüber hinaus

Seit es Rot-Rot in Berlin gibt, wird diese Regierungskonstellation einer besonders intensiven Betrachtung unterzogen. Das hat weniger damit zu tun, dass die Medien-dichte in der Stadt eine hohe ist. Vielmehr scheint die Frage noch nicht ausreichend beantwortet, inwieweit linkes Regierungshandeln nach fast zwei Legislaturperioden nachhaltige Effekte für ein zukunftsfähiges und soziales Berlin gebracht hat.

Nicht erst seit Koalitionen mit der Linken in weiteren Bundesländern möglich sind und auf  Bundesebene nun die SPD zusammen mit uns und den Grünen die Oppositionsbank drückt, steht die Frage im Raum, ob Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün ein vernünftiges Alternativmodell zu Schwarz-Gelb sein kann. Insbesondere der Zustand der SPD führt dazu, dass vermehrt die Frage aufgeworfen wird, ob es Rot-Rot nicht an »innerer Kraft« mangele, die Probleme der Stadt anzupacken.

Als Fraktion werden wir auf vielfältige Weise damit konfrontiert, dass die Beseitigung der von unseren Vorgänger-Koalitionen verursachten Missstände zunehmend in Vergessenheit gerät. Die positive Entwicklung Berlins unter Rot-Rot tritt in den Hintergrund in Anbetracht von Fakten, die da heißen: Im Ländervergleich höchste Arbeitslosigkeit, gestiegene Kinderarmut, allnächtliche Brandstiftungen oder eine S-Bahn, die nicht fährt. Hinzu kommen mal scheinbar zu wenig, mal scheinbar zu viel Klimaschutz und nicht zuletzt eine nach wie vor enorme Verschuldung der Stadt.

Und nicht nur das: Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise hat die gesamtwirtschaftlichen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen binnen eines Jahres grundlegend geändert.

Wir stehen damit vor der Aufgabe, einerseits deutlich zu machen, was in den vergangenen acht Jahren von Rot-Rot tatsächlich geleistet wurde. Dabei müssen wir stärker als bisher den strategischen Aspekt unserer politischen Schwerpunkte herausarbeiten, die geeignet sind, Berlin erfolgreich durch die Krise zu führen.

Und andererseits müssen wir, um die Nachhaltigkeit unserer Politik zu unterstreichen, in den verbleibenden zwei Jahren der Legislaturperiode gemeinsam mit der SPD Themen anpacken, die für die Zukunft der Stadt wichtig sind: Themen und Problemsichten, die über 2011 hinausweisen und deutlich machen, dass eine linke Stadtregierung für Berlin die bessere Lösung bleibt.
 

1.    Der Krise nicht hinterher sparen

Die damalige PDS wurde in die Regierungsverantwortung gewählt, so formulierten wir zum Beginn unserer Regierungstätigkeit, um die für das Land so verhängnisvolle Mischung aus Filz, Realitätsverdrängung und Metropolenwahn zu beenden. Über allem stand und steht dabei die Notwendigkeit einer Konsolidierung des Landeshaushalts, da sie die Voraussetzung zur Rückgewinnung von politischer Handlungsfähigkeit schafft.

Zur Zeit unseres Regierungseintritts hatte Berlin ein Ausgabenproblem, das durch sinkende Subventionen und Einnahmen noch verschärft wurde. Wir haben dieses Problem gelöst, indem wir mit einem harten Konsolidierungskurs Doppelstrukturen und einige (und bewusst nicht alle) Ausstattungsvorsprünge Berlins abgebaut haben. Wir haben in der ersten Legislaturperiode den Nachweis erbracht, dass wir auch schmerzhafte Sparentscheidungen treffen können.

Allerdings haben wir auch schon damals festgestellt, dass Berlin seinen horrenden Altschuldenberg nicht aus eigener Kraft abbauen können wird. Aus eigener Kraft konnte Berlin nur einen ausgeglichenen Primärhaushalt als Ziel formulieren. Um Altschulden abzubauen, bedurfte und bedarf es der Bundeshilfen.

Die Weltwirtschaftskrise und die Steuerpolitik der Bundesregierung sind aktuell die größten Bedrohungen dieser Erfolge vernünftigen Haushaltens. Berlin hat heute kein Ausgabenproblem mehr, sondern ein Einnahmenproblem.

Eine schwarz-gelbe Bundesregierung wird dieses Problem vermutlich noch verschärfen.  Da wir davon ausgehen müssen, dass die Folgen der Krise länger anhalten werden und eine schwarz-gelbe Bundesregierung keine Steuerpolitik betreiben wird, die die Einkommensstarken und Reichen stärker belastet, ist kurzfristige Entlastung des Landeshaushaltes nicht in Sicht.

Es wäre aber ökonomisch sinnlos und politisch dumm, der Konjunktur nun in den folgenden Jahren hinterher zu sparen. Ein wichtiger Schritt, um landespolitische Gestaltungsspielräume erhalten zu können, wäre stattdessen die Prüfung einer Verfassungsklage gegen die sogenannte Schuldenbremse.

Mit dem aktuellen Doppelhaushalt wird die Koalition finanzpolitisch vergleichsweise gut gerüstet die Herausforderungen der Finanz- und Wirtschaftskrise aufnehmen – auch wenn die Haushaltsnotlage bei weitem nicht überwunden ist. Dabei wollen wir die Ausgabenlinie, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurde, im Wesentlichen einhalten.

Wir werden jedoch auch in einzelnen Bereichen Mehrausgaben haben, die notwendig und berechtigt sind. Zu diesen Mehrausgaben gehören insbesondere die Gehälter im Öffentlichen Dienst Berlins. Die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes haben seit dem Abschluss des Anwendungs-Tarifvertrages durch Arbeitszeitverdichtung und Einkommensverzicht zu milliardenschweren Entlastungen des Landeshaushaltes beigetragen. Sie haben einen bundesweit einmaligen Beitrag zur Konsolidierung der Landesfinanzen geleistet. Dafür gebührt ihnen Dank und Anerkennung. Diese Anerkennung muss sich in der Brieftasche der Beschäftigten niederschlagen.

Gleichzeitig sehen wir den Bedarf, den Öffentlichen Dienst Berlins insgesamt zukunftsfest zu gestalten. Die Entscheidung des Senats, die Zahl von 100.000 Beschäftigten erst im Jahr 2013 erreichen zu wollen, ist folgerichtig. Auf diesem Weg ist ein Mindestmaß an zwingend notwendigen Wiederbesetzungen ausscheidender Beschäftigter gewährleistet und werden weitere Arbeitsverdichtungen reduziert. Zur Verjüngung des Öffentlichen Dienstes ist ein Einstellungskorridor notwendig.

Die Diskussion um die Zukunftsfähigkeit öffentlicher Aufgabenwahrnehmung darf nicht auf Tarifangelegenheiten beschränkt sein, sondern muss im Kontext der Debatte um die Rückgewinnung staatlicher Handlungsspielräume weg von der Aufgabenkritik hin zu einer positiven Benennung öffentlicher Aufgaben und ihrer Träger kommen. In eine solche Debatte wollen wir sowohl die öffentlichen Unternehmen als auch die zivilgesellschaftlichen Träger öffentlicher Daseinsvorsorge einbeziehen.

Wenn wir die soziale, ökonomische und kulturelle Infrastruktur nicht auf Verschleiß fahren wollen, kann die Frage in Berlin nicht mehr lauten: Wo kann noch zusätzlich gespart werden, sondern, was braucht eine an sozialer Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit orientierte Stadtgesellschaft an öffentlich finanzierter Ausstattung?
 

2.    Die neue soziale Idee weiter befördern

In acht Jahren Regierungsbeteiligung haben wir nicht nur bundesweit Einmaliges erreicht (die Linke in anderen Ländern ist mit unseren Themen vom längeren gemeinsamen Lernen über Mindestlohn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bis zu mehr direkter Demokratie erfolgreich gewesen), sondern Erfahrungen gemacht, mit denen wir jetzt in Zeiten der Krise gut aufgestellt sind.

Berlin hatte seine Bankenkrise vor dem Rest der Republik. Sie war gleichermaßen Grund und erste große Bewährungsprobe für das rot-rote Regierungsbündnis. Diese haben wir erfolgreich gemeistert. Und gegen alle Widerstände in der öffentlichen Debatte haben wir neue Akzente gesetzt. Wir haben es geschafft, entgegen dem neoliberalen Dogma im Umgang mit öffentlichen Unternehmen auf das Prinzip »Sanieren statt Privatisieren« zu setzen. Die Diskussion darum, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, bekommt mit dem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor ÖBS in Berlin den praktischen Nachweis eines bislang nur theoretischen Modells.
Zudem haben wir mit der Diskussion um Gemeinschaftsschule und Bildungspolitik den Horizont über die rein ökonomische Verwertungslogik erweitert und die gesellschaftspolitische Bedeutung der Bildungseinrichtungen wieder in den Focus gerückt.
Dies alles unter dem schmerzhaften Konsolidierungsdruck, der aufgrund der Vorbereitung der Haushaltsnotlageklage in Karlsruhe größer war, als eigentlich stadtpolitisch zumutbar gewesen wäre. Wir haben gezeigt, dass auch in schwierigen Zeiten zukunftsfähige Reformen, sozialer Zusammenhalt und vernünftige Haushaltspolitik funktionieren können.

Dabei ist die wahrnehmbare Re-Sozialdemokratisierung der Berliner SPD im Vergleich zu den 90igern ein angenehmer Nebeneffekt. Ohne die Politik der LINKEN im Senat würde die Hauptstadt-SPD vermutlich noch heute, wie im Januar 2001 beschrieben, »(…) Modernisierung mit platter neoliberaler Privatisierungspolitik verwechseln, (und) sich der periodisch dagegen auftretende innerparteiliche Widerstand weitgehend an den staatswirtschaftlich-keynesianischen Konzepten vergangener Zeiten« orientieren. 

Berlin alleine kann nur das im landespolitischen Rahmen Mögliche tun, um Krisenfolgen zu mildern. Wir können Beispiele schaffen, wie innovative Wege aus der Krise beschritten werden können. Aber: Wie nachhaltig und damit letztlich erfolgreich unsere soziale und innovative Politik in Berlin sein wird, hängt auch davon ab, ob die SPD auf Bundesebene künftig auf ein linkes Reformbündnis hinarbeitet. Denn nach wie vor werden wichtige Parameter unseres Handelns, wie das Gros der Steuergesetze oder  wesentliche arbeitsmarkt- und sozialpolitische Regelungen, auf Bundesebene entschieden.

Bessere Bildung
Ein Referenzprojekt unserer neuen sozialen Idee ist die Gemeinschaftsschule. In hartnäckigen Auseinandersetzungen und getragen von einer gewachsenen Zustimmung in der Berliner Bevölkerung zu »einer Schule für alle« haben wir mit der Gemeinschaftsschule endlich die Debatte über notwendige Veränderungen in der Schulstruktur ausgelöst. Der Start der ersten Gemeinschaftsschulen hat die Diskussion in der Stadt um Chancengleichheit befördert. Die Gemeinschaftsschule ist, wie wir festgestellt haben, bundesweit zum Markenzeichen linker Bildungspolitik geworden.  Wir wollen die Schulen ermuntern, sich für diese Schulform zu entscheiden.

Mit der Abschaffung der Hauptschule und der Schaffung der integrativen Sekundarschule wird ein erster Schritt auf dem Weg zur Abschaffung des Bildungsprivilegs gegangen. Ob er erfolgreich wird, hängt nicht unmaßgeblich von der praktischen Umsetzung der Berliner Schulreform durch die Bildungsverwaltung ab.

Kitas sind Bildungseinrichtungen. Für diese mittlerweile unumstrittene Erkenntnis haben wir lange gekämpft. Wenn wir jetzt die Kostenfreiheit für die Kita-Betreuung  herstellen, müssen wir gleichzeitig den Blick auf die Qualitätssicherung richten. Wir brauchen einen besseren Betreuungsschlüssel und bessere Ausstattung der Kitas, damit sie ihren Bildungsauftrag auch erfüllen können. Dafür werden wir die Voraussetzungen schaffen.

Arbeit in Würde
Nach wie vor ist die Arbeitslosenquote in Berlin höher als in anderen Länder. Allerdings ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten überdurchschnittlich gewachsen. Zwischen 2005 und 2007 sind 34.000 Arbeitsplätze entstanden.

In der Krise müssen die bisher von der Bundesregierung geschaffenen Möglichkeiten der Kurzarbeit, die eine Entlastung der Berliner Betriebe darstellen, für die Qualifizierung der Beschäftigten in der Kurzarbeit genutzt werden.

Das Land Berlin wird vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise weiterhin in hohem Maße, ggf. wieder in größerem Umfang, die berufliche Ausbildung öffentlich fördern müssen, auch wenn sich die Bundesregierung aus der Finanzierung zunehmend zurückzieht. Dafür und für aktive Arbeitsmarktpolitik, die Menschen in den Arbeitsmarkt integriert, statt Arbeitslosigkeit durch passiven Transfer zu alimentieren, wer-den wir im Doppelhaushalt 2010/2011 die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen müssen. Diese Mittel sind nachhaltig eingesetzt und nützen der Haushaltskonsolidierung über die Integration von Menschen in das Erwerbsleben und dadurch rückfließende Steuereinnahmen.

Dem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor kommt in der Krise eine besondere Bedeutung zu, denn durch seinen Ausbau wird der Arbeitsmarkt entlastet und  binnenwirtschaftlich Nachfrage stimuliert. Im ÖBS liegt der Stundenlohn nicht unter 7,50 Euro und entspricht damit dem von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn. Damit wird für Langzeitarbeitslose eine Chance auf existenzsichernde Beschäftigung geschaffen und verdeutlicht, dass die Wirtschaftskrise kein Argument für eine verschärfte Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse sein darf.

Der ÖBS entspringt arbeitsmarktpolitischer Vernunft und gesellschaftspolitischer Verantwortung. Er folgt dem Prinzip »Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren«. Gleichzeitig wird mit dem ÖBS gesellschaftlich sinnvolle und notwendige Arbeit organisiert. Die soziale Infrastruktur und kulturelle Arbeit werden gestärkt und damit der notwendige Zusammenhalt in der sozialen Metropole Berlin. Trotz seiner Unzulänglichkeiten, die bundesgesetzlichen Restriktionen geschuldet sind und entgegen der Angriffe auf ihn, nicht nur von rechts, sondern auch von früheren Partnern des Dritten Sektors, wie den Berliner Grünen, ist der ÖBS eine explizit linke Antwort auf die Beschäftigungskrise.
Er befördert die Einsicht, dass der Sozialstaat nicht durch Schrumpfung zukunftsfest zu machen ist, sondern durch eine Arbeitsmarktpolitik, die im besten Wortsinne aktiviert statt alimentiert. Eine Arbeitsmarktpolitik, die dazu beiträgt, dass aus Leistungsempfangenden wieder Beitragszahlende werden. Dies ist im Übrigen auch ein Beitrag, um Altersarmut zu reduzieren, denn je länger der Bezug von ALG II anhält, umso mehr wächst das Risiko der Altersarmut. Aber nicht nur die auf der Hand liegenden positiven volkswirtschaftlichen Effekte sind es, die den ÖBS so wichtig ma-chen: Menschen aus der Rolle der stigmatisierten, langzeitarbeitslosen Leistungsempfänger zu holen und ihnen ein sozialversicherungspflichtiges, existenzsichern-des Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen, in dem sie gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten, ist von großer sozialpsychologischer Bedeutung.
Mit Sicherheit wird der ÖBS in Berlin durch eine schwarz-gelbe Bundesregierung unter Druck geraten. FDP und CDU vertreten in der Arbeitsmarktpolitik eine komplett andere Position als DIE LINKE. Zusammen mit dem Koalitionspartner müssen wir das in diesem Bereich Erarbeitete verteidigen. Die Grünen werden sich in Zukunft entscheiden müssen, in welchem politischen Lager sie sich verorten wollen.

Unternehmen in öffentlicher Hand
Rot-Rot hat, so formulierten wir in der Halbzeitbilanz der ersten Wahlperiode, nach langen Jahren des Stillstandes einen schwierigen Prozess der Umstrukturierung in den Öffentlichen Unternehmen Berlins begonnen. Unser Ziel bestand darin, die vielfach chronisch defizitären öffentlichen Unternehmen zu ertüchtigen, den Landeshaushalt entsprechend zu entlasten und die Steuerung dieser Unternehmen durch das Land zu verbessern.

Allein darauf könnten wir bereits stolz sein. Doch es wurde noch mehr erreicht. Zwölf landeseigene Unternehmen haben sich in der Initiative »Mehrwert Berlin« mit dem Ziel zusammengeschlossen, gemeinsam die eigenen Kompetenzen stärker in die weitere Entwicklung der Stadt einzubringen. Im März 2009  forderten sie den Eigentümer, also die rot-rot regierte Stadt Berlin, auf, den Mehrwert voll auszuschöpfen, den seine öffentlichen Unternehmen bieten können. Diese Aufforderung haben wir angenommen.

Aus Sicht der LINKEN sind öffentliche Unternehmen wichtige Auftraggeber für kleine und mittelständische Unternehmen sowie treibende Kraft für Innovationen. Sie bieten gute Arbeit in sozialer Verantwortung. Wir wollen sie einbeziehen in die Bewältigung der Herausforderungen des demographischen Wandels, des sozialen Zusammenhalts in der Einwanderungsstadt und des Klimaschutzes. Die Kampagne »Berlin braucht dich!« ist ein ausgezeichnetes Beispiel, wie Unternehmen mit Landesbeteiligungen gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen, indem sie daran arbeiten, bei allen Ausbildungsstätten beim Land Berlin einen Anteil von 25 Prozent an Auszubildenden mit Migrationshintergrund zu erreichen.

Die aktuelle Krise bei der S-Bahn, aber auch die Geschichte der Energieunternehmen zeigt erneut, dass Unternehmen, die wesentlich Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllen, nicht besser aufgestellt sind, wenn sie privatisiert werden. Der geplante Börsengang der Deutschen Bahn auf Kosten von Beschäftigten, Sicherheit und Leistung hat die Berliner S-Bahn ruiniert.

Wo für das Gemeinwesen notwendige Leistungen erbracht werden müssen, brauchen wir effektive Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand. Diese Position machen sich mittlerweile auch andere Kommunen in Deutschland zu eigen, wenn sie über Rekommunalisierung z. B. von Energieunternehmen nachdenken. Wir sind erfreut darüber, dass wir in dieser Diskussion nun Partner gefunden haben und werden auch die Debatte um Rekommunalisierungen in Berlin wiederbeleben.

 

3.    Den sozialen und den ökologischen Umbau besser verbinden

Für die Linke sind Fortschritt und soziale Gerechtigkeit zwei Seiten einer Medaille in der Entwicklung Berlins. In den neunziger Jahren wurde die wirtschaftliche Situation unserer Stadt davon geprägt, dass wir von Abschwüngen überproportional betroffen waren, während Aufschwünge nur unterdurchschnittlich spürbar waren. Dass Berlin in der aktuellen Krise eine andere Erfahrung macht, ist auch das Ergebnis einer auf die Entwicklung der endogenen Wirtschaftspotenziale der Stadt setzenden Struktur- und Industriepolitik der vergangenen Jahre. Sie führte dazu, dass es in der Berliner Industrie im vergangenen Jahr erstmals seit der Wiedervereinigung wieder mehr Arbeitsplätze gab und sich der Dienstleistungssektor als Garant einer wieder gefestigten Wirtschaftsstruktur präsentiert.

Insbesondere die damaligen PDS-Ressorts Wissenschaft, Wirtschaft und Gesund-heit schufen drei erfolgreiche Wirtschaftscluster, konzentrierten Fördermittel und intensivierten den Dialog zwischen Berlin und Brandenburg. Damit konnte eine selbsttragende regionale Innovationskultur erzeugt werden, die sich mehr und mehr als Erfolgsstory erweist.

Auch wenn wir alle in der Macht des Landes Berlin stehenden Möglichkeiten zur Ankurbelung der Binnenwirtschaft und zur Schaffung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen ausnutzen werden, muss man kein Prophet sein, um zu wissen, dass in Zeiten der Krise Insolvenzen und der Verlust von Arbeitsplätzen zu erwarten sind. Das ist verbunden mit Einnahmeausfällen auch für die Landeskasse.

Das, was Berlin aber für Investoren, junge Kreative und Touristen gleichermaßen so attraktiv gemacht hat, ist seine überdurchschnittlich gute soziale Infrastruktur. Trotz Konsolidierungspolitik der vergangenen Jahre entstand ein Kulturangebot aus Hochkultur, freier Kulturszene und Subkultur, das ein international besonderes Lebensgefühl vermittelt. Folglich ist die erste und dringendste Aufgabe, die vorhandenen Strukturen zu sichern und so aufzustellen, dass sie dem Druck der Krise nicht zum Opfer fallen.

Wettstreit beim Klimaschutz
Ein weiteres Beispiel von sinnvoller, antizyklischer Konjunkturpolitik und kluger Innovationspolitik liegt auf einem Terrain, in dem uns bisher nur Wenige Kompetenzen oder Ambitionen nachsagten – der Umweltschutz- und Klimapolitik. Die Entscheidung, dieses Themenfeld zu beanspruchen, basierte auf der Erkenntnis, dass die Berliner Sozialdemokraten die Entwicklungspotenziale dieses Sektors trotz der enormen Herausforderungen des Klimawandels ungenügend genutzt haben.

Auf Initiative der linksgeführten Umwelt- und Wirtschaftsverwaltungen hat sich die Koalition auf das Ziel einer CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 1990 bis 2020 verständigt. Das heißt, dass wir binnen einer Dekade unter den Bedingungen einer wachsenden Wirtschaftsleistung Berlins eine Minderung des CO2-Ausstoßes um noch einmal 15 Prozent erreichen wollen. Dies wird nach der Wiedervereinigung der nächste große Strukturwandel in fast allen gesellschaftlichen Bereichen - insbesondere der Berliner Wirtschaft - sein.

Unser Ziel ist, die ressortübergreifenden Anstrengungen zu intensivieren und die Instrumente der Klimaschutzpolitik des Senats zu schärfen.

Bei der Umsetzung des von der Bundesregierung unterstützten Konjunkturprogramms trägt die Orientierung auf energetische Sanierung dazu bei, die Bewältigung der Konjunkturkrise mit ökologischem Mehrwert zu verknüpfen und damit zukunftsfähig zu sein. Als Fraktion Die Linke werden wir gemeinsam mit der Umweltsenatorin dafür sorgen, dass das zur Zeit noch im Entwurf befindliche Klimaschutzgesetz mit den Ansprüchen an eine soziale Stadt in Einklang gebracht wird.
Ein nicht zu unterschätzender Stellenwert wird dem für Berlin wichtigen öffentlichen Nahverkehr sowie dem Kompetenzfeld Energietechnik zukommen. Hier brauchen wir ein regionales Netzwerk von Forschung und Wirtschaft, um den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen und Innovationen in der Ressourceneffizienz, der Verkehrsentwicklung und vor allem im Gebäudebereich zu realisieren.
Diese Aufgaben reichen weit über die laufende Wahlperiode hinaus. Es ist deshalb unsere Aufgabe, die verbleibende Zeit bis zu den nächsten Wahlen zu nutzen, um zu verdeutlichen, wie der soeben für den Teilbereich des Klimawandels beschriebene sozial-ökologische Umbau Berlins durch uns gestaltet werden soll.
Der viel beschworene »Green New Deal« greift zu kurz. Es kommt darauf an, ökologische Nachhaltigkeitspolitik mit einer neuen sozialen Idee zu verbinden. Der erste Schritt dazu heißt, die veränderten Realitäten bisheriger Sozialstaatlichkeit anzuerkennen und daraus Schlussfolgerungen für das Berliner Gemeinwesen zu ziehen.
Neues muss gedacht und entwickelt werden.
 

4.    Den sozialen Zusammenhalt in der Stadt stärken

Die soziale Realität in Deutschland wird durch Desintegrationsprozesse bestimmt. Neben die uns seit mittlerweile über 30 Jahre begleitende Massenarbeitslosigkeit mit einer verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit und einer großen Zahl von Niedrigqualifizierten sind neuere soziale Befunde getreten.

Dazu gehören Bildungs- und Ausbildungsdefizite, ungenügende soziale Durchlässigkeit, mangelnde Infrastruktur für lebenslanges Lernen und die Vereinbarkeit von Familie mit dem Beruf, anwachsende Zivilisationskrankheiten, Resignation in bestimmten gesellschaftlichen Milieus und Desintegrationstendenzen in verschiedenen MigrantInnen-Communities. In Berlin treten zu diesen allgemeinen Tendenzen sozialräumliche Disparitäten hinzu, die trotz mittlerweile mehrjähriger Bemühungen zu einer vielfachen Spaltung der Stadt nach Milieus, Wohn-, Konsum- und Geschäftsräumen beitrugen. 

Integration mit Konzept
Eine langfristig wirkungsvolle Integrationspolitik betrifft in unserer Stadt keine zu vernachlässigende gesellschaftliche Minderheit, sondern einen erheblichen Teil der Bevölkerung. Die Zahl der Einwohnerinnen bzw. Einwohner Berlins, die nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, beträgt 14 Prozent. Nicht berücksichtigt sind dabei die Berlinerinnen und Berliner mit deutscher Staatsangehörigkeit, aber einem Migrationshintergrund. Bereits jetzt haben rund 40 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Berlin unter 18 Jahren einen Migrationshintergrund.

Mit der Verabschiedung der Integrationskonzepte I und II und deren Umsetzung haben wir als rot-rote Koalition mit einer linken Integrationssenatorin Maßstäbe für die künftige Ausgestaltung der Integrationspolitik gesetzt. Auf der Grundlage einer Empfehlung der AG Partizipation des Landesbeirates für Integration wollen wir als LINKE zusammen mit der SPD noch in dieser Wahlperiode ein Integrationsgesetz für Berlin erarbeiten.

Seine Verabschiedung ist keine gesetzgeberische Formalie und auch nicht die Errichtung eines parlamentarischen Denkmals linker Integrationspolitik. Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes ergibt sich vielmehr aus der Realität der Lebensverhältnisse von Berlinerinnen bzw. Berlinern mit Migrationshintergrund: Weiterhin bestehende Chancenungleichheiten sowie darauf basierende, verfestigte Armutskreisläufe, verbunden mit Segregationserfahrungen und schlechterer Gesundheit.
 
Das zu beschließende Integrationsgesetz ist insoweit Hebel und Instrument einer Integrationspolitik, die auf gesellschaftliche Teilhabe und insbesondere auf eine Verbesserung der Chancengerechtigkeit in Bildung und Beruf ausgerichtet ist. Es flankiert und unterstützt die im Integrationskonzept festgelegten Maßnahmen.
Manches, wie die Herstellung gleicher Rechte für alle Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, ist nur auf Bundesebene zu lösen. Was auf Berliner Ebene möglich ist, haben wir mit den Integrationskonzepten I und II als ambitioniertes Arbeitsprogramm begonnen, das über 2011 hinausreicht. Die Diskussion um ein Integrationsgesetz für Berlin ist der nächste logische Schritt. 

Schwerpunkt Soziales Wohnen
Zu Beginn der laufenden Wahlperiode formulierten wir den Anspruch, als linke Partei eine andere als nur von den Kräften des Marktes und seiner Logik getriebene Stadtentwicklung zu betreiben. Unsere Vorstellung der sozialen Metropole Berlin sieht natürlich wirtschaftliche Entwicklung vor, aber gleichzeitig keine Entwicklung, wie sie andere internationale Metropolen vorgezeichnet haben: mit einer Dreiteilung der Stadt in einen international wettbewerbsfähigen, auf die globale Konkurrenz ausgerichteten Teil, die »normale Arbeits-, Wohn- und Versorgungsstadt« und die »aufgegebene Stadt der Ausgegrenzten«. »Wir wollen eine prosperierende Stadt, aber nicht um den Preis der sozialen Ausgrenzung und Desintegration, sondern mit dem Ziel von Wachstum und sozialer Integration.«

Berlin ist eine Stadt der Mieterinnen und Mieter. Auch in den kommenden Jahren wird mit einem Wachstum der Zahl der Haushalte zu rechnen sein. Dabei handelt es sich in der Regel um kleinere Haushalte (Starterhaushalte, Rentner, Alleinstehende, Studenten), die im Normalfall über keinen großen finanziellen Spielraum verfügen. Für diese nur wenig zahlungskräftigen Haushalte müssen wir weiterhin ein ausreichendes Angebot an adäquatem und bezahlbarem Wohnraum sichern.

Wenn auch einkommensschwächere Menschen künftig eine Chance haben sollen, in der Innenstadt zu wohnen, wenn wir Segregation verhindern wollen, müssen wir mit den Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften und Mieterverbänden in eine neue Diskussion eintreten. Wir haben uns lange um die ökonomische Verfasstheit der Wohnungsbaugesellschaften gekümmert. Dabei wurde die Debatte darüber vernachlässigt, welche ökonomischen, auch marktintervenierenden Instrumente entwickelt werden können, um auch in der Innenstadt bezahlbaren Wohnraum dauerhaft zu erhalten. Wie kann die soziale Durchmischung von Wohnquartieren erreicht und die Verfestigung von Armutsquartieren, insbesondere in den Großsiedlungen, verhindert werden? In dieser Diskussion muss angesichts der aktuellen Entwicklung auch wieder über eine eventuelle Ausweitung des kommunalen Wohnungsbestandes und Initiativen zur Mietpreisbindung nachgedacht werden.

Wir müssen dabei anerkennen, dass Wohnungsgesellschaften, -genossenschaften und Mieterverbände eine traditionelle Einflussdomäne der Sozialdemokratie sind. Daraus entsteht unserer Auffassung nach jedoch eine Verpflichtung des größeren Koalitionspartners zu Mut und Engagement. Dies haben wir in den vergangenen Jahren zum Teil schmerzhaft vermisst. Stattdessen erlebten wir einen Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau.

Unterlaufen wurde auch und mit Hinweis auf die Wünsche der Bundesregierung unsere Wohnregelung für ALG II-Empfangende (AV Wohnen), mit der wir Zwangsumzüge aufgrund von Hartz IV im Gegensatz zu anderen Kommunen verhindert haben, was unserem Anspruch sozialer Wohnungspolitik entspricht.

Wir werden eine umfassende Anpassung der festgelegten Richtwerte an die gestiegenen Miet- und Energiekosten vornehmen müssen, über den ersten Schritt aus dem Jahr 2008 hinaus. Bereits die Erhöhung des Richtwertes für Ein-Personen-Haushalte um fünf Prozent auf 378 Euro Bruttowarmmiete kam rund 190.000 Betroffenen zugute. Doch wir haben in Berlin rund 605.000 Menschen, die ALG II bzw. Sozialhilfe beziehen. Zirka 40 Prozent - das sind Familien, die wir stabilisieren und fördern wollen - müssen künftig stärker bedacht werden.

Dabei wird der Orientierungsrahmen für die Festlegung der neuen Richtwerte die Mietstruktur im gesamten Wohnungsbestand sein – also nicht nur die Wohnungen in sogenannter einfacher Wohnlage. Es reicht auch nicht aus, sich ausschließlich an den Bestandsmieten zu orientieren. Auch die Miethöhe bei Neuanmietungen muss berücksichtigt werden. Darüber hinaus brauchen wir Sonderregelungen für die Wohnquartiere, in denen nur eine geringe Anzahl von Arbeitslosengeld II- und Sozialhilfebeziehenden leben. Nur so können wir deren Verdrängung verhindern.
 

5.    Weichen stellen über 2011 hinaus

Wir haben als Linksfraktion in den vergangenen Jahren  sehr an der Profilierung unserer Referenzprojekte gearbeitet. Das war gut und brachte uns in der Fachöffentlichkeit große Zustimmung. Doch, das müssen wir zugestehen, haben wir unse-re Reformvorhaben und Projekte in der Koalition und in den jeweiligen Fraktionen allzu oft in einer Art und Weise diskutiert, bei der der Sinn des Vorhabens hinter dem Streit verborgen blieb.
 
Zu wenig deutlich wurde auch: Gemeinschaftsschule, Öffentlich geförderte Beschäftigung oder Sanierung der Landesunternehmen statt Privatisierung, auch das Integrationskonzept, Hartz IV- Wohnkosten-Regelungen oder der Entwurf zu Klimaschutzgesetz  sind zusammen mehr als die Summe von Einzelprojekten.

Es sind Bausteine einer Gesamtstrategie, die durch Chancengleichheit und Kreativi-tät die Attraktivität Berlins als Metropole begründet. Eine Gesamtstrategie, die daran arbeitet, dass das schon oft gemachte Versprechen auf Innovation und Gerechtigkeit, auf sozialen Fortschritt erfüllt wird. Eine Gesamtstrategie, die zum Ziel hat, dass sich alle, die in der Stadt leben - mit und ohne deutschen Pass – wohl und sicher fühlen. Dies deutlich zu machen,  ist eine der Herausforderungen für uns und für Rot-Rot  in der zweiten Hälfte dieser Legislaturperiode.

Dies muss nun unter den verschärften Bedingungen einer Weltwirtschaftskrise geleistet werden. Wir sind der Überzeugung, dass die Verbindung einer neuen sozialen Idee mit dem ökologischen Umbau für die Stadt ein überzeugendes Konzept für eine linke Landesregierung darstellt, mit dem sich nicht nur die Berlinerinnen und Berliner identifizieren können. Es ist nach unserer Auffassung auch die einzige Möglichkeit, Berlin krisenfest zu machen, die soziale und kulturelle Infrastruktur zu sichern und gleichzeitig die Potentiale der Stadt zukunftsfähig zu entwickeln.

Die Weltwirtschaftskrise hat die neoliberalen Dogmen blamiert. Kapitalismuskritik ist längst keine alleinige Domäne der Linken mehr. Allerdings zeigt der Ausgang der Bundestagswahlen, dass es noch keine gesellschaftliche und politische Mehrheit in der Bundesrepublik gibt, die den Bruch mit den gängigen Politikmustern vollziehen will. Dies ist leider auch der deutschen Sozialdemokratie geschuldet. Sie hat den gleichen Fehler, den sie schon in der Gründungsphase mit den Grünen machte, bei der Linken wiederholt. 

Nun muss sich in der Zukunft zeigen, ob  ein politisches Lager links von Union und FDP stabil und handlungsfähig entstehen kann, das die innere Kraft aufbringt, politisch und konzeptionell aus dem Bankrott des Neoliberalismus Konsequenzen zu ziehen.  Darüber entscheiden die bevorstehenden Auseinandersetzungen bei SPD und Grünen. Die Berliner SPD ist mit uns schon ein gutes Stück des Weges gegangen. Wir haben die Absicht, auch über 2011 hinaus für sozialen Fortschritt in Berlin zu sorgen.

Berlin, 29. September 2009