Für Teilhabegerechtigkeit!

Integration funktioniert nicht über Bevormundung, sondern über Partizipation

16. Wahlperiode - 74. Sitzung: Fraktionsvorsitzender Udo Wolf zur Verabschiedung des Gesetzes über Partizipation und Integration

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zu allererst möchte ich ganz herzlich auf der Zuschauertribüne die Mitglieder des Landesbeirats für Integration begrüßen. Herzlich willkommen!

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, den Grünen und der FDP]

Die Mitglieder des Landesbeirats und die Mehrheit der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, das sind die wahren Experten für gelingende Integration.
Sie wissen, wo es hakt. Und sie können uns sagen, welche verheerende Wirkung Sarrazin-Thesen, Stigmatisierung und Alltagsrassismus aus der Mitte der Gesellschaft, Islamophobie von Rechtsextremisten und so ein gefährlicher reaktionärer Unsinn, wie Sie von der FDP ihn für heute beantragt haben, bei den Menschen anrichtet.

[Beifall bei der Linksfraktion

– Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und die Mitglieder des Landesbeirats haben Anstoß gegeben, ein Partizipations- und Integrationsgesetz hier einzubringen. Für diesen Anstoß und die fachliche, sachliche und auch kritische Begleitung des Gesetzesvorhabens bin ich Ihnen ausgesprochen dankbar.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Uns wurde in der bisher ja auch schon öffentlich geführten Debatte um das Gesetzesvorhaben vorgehalten, das Gesetz löse die Integrationsprobleme nicht. Es sei ein Pillepallegesetz. Multikulti sei ohnehin gescheitert. Und die Kanzlerin versteigt sich sogar zu der Aussage, Multikulti sei tot.

Ich kann Ihnen sicher sagen: Niemand aus dem Landesbeirat, niemand von uns leugnet, dass es vielfältige Probleme in der Einwanderungsgesellschaft gibt: soziale, kulturelle und religiöse. Aber wir kommen nicht zu dem Kurzschluss, Multikulti sei gescheitert. Multikultur ist Lebensrealität in der Stadt. Berlin ist die internationale Metropole in Deutschland, die multikulturelle, multiethnische und multireligiöse Metropole. Und wäre Berlin das nicht – Berlin wäre nicht Berlin und es wäre todlangweilig.

[Beifall bei der Linksfraktion

– Vereinzelter Beifall bei der SPD]

In Berlin leben Menschen aus 180 Staaten, Deutsche mit und ohne Migrationsgeschichte. Aber nicht alle haben gleiche Rechte. Viele haben schlimme Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen. Wer Integrationsprobleme lösen will, muss nicht die multikulturelle Gesellschaft beschimpfen, wer die Probleme lösen will, der muss für Teilhabegerechtigkeit kämpfen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Was ist denn Integration? Erfolgreiche Integration bedeutet, dass alle Menschen die gleichen Chancen und Rechte erhalten, dass sie in allen Facetten gesellschaftlichen Lebens teilhaben können. Oder wie der alte Fritz es sagen würde: Jeder soll nach seiner Facon selig werden können.

Integration ist nicht Anpassung und Assimilation. Integration ist ein Prozess, in dem unterschiedliche Menschen bereit sind, sich zu verändern und zu einem vielfältigen Ganzen zusammenzuwachsen. Integration funktioniert nicht über Bevormundung, sondern über Partizipation.

[Beifall bei der Linksfraktion

– Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das sind die Hintergründe für das vorliegende Partizipations- und Integrationsgesetz. Dieses Gesetz ist nach den Integrationskonzepten 1 und 2 des Senats der nächste logische Schritt. Es ist kein Gesetz, das alle Probleme verfehlter Einwanderungspolitik der letzten 40 Jahre lösen kann. Aber es ist so, wie Prof. Dr. Hajo Funke in der Anhörung des Fachausschusses sagte: Die Bemühungen des Berliner Senats gehen in die richtige Richtung.

Das vorgelegte Gesetz ist Teil eines systematischen Programms. Das Gesetz bedeutet angesichts einer vierzigjährigen Erfahrung auch von Diskriminierung und Zurückhaltung nichts weniger als eine erhebliche Umgestaltung derjenigen Institutionen, die in jeder Hinsicht eine öffentlich wahrgenommene Vorbildfunktion für ein gelungenes Miteinander haben sollten. Darin ist Berlin wie mit dem Integrationskonzept 2007 Vorreiter. Die konkreten Bestimmungen für eine interkulturelle Ausrichtung des öffentlichen Dienstes, auch in der Personalpolitik, und die Stärkung des Integrationsbeauftragten sind keineswegs nur symbolische Politik. Sie sind umgesetzt ein großer Schritt.

Das sagen die Experten im Fachausschuss. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich hätte es nicht besser formulieren können, deswegen habe ich so ausführlich zitiert. Kommen Sie mit uns auf die Seite der Vernunft in der Integrationspolitik! Hören Sie auf mit Stigmatisierungsdebatten! Hören Sie auf mit Ausgrenzung! Kämpfen Sie mit uns für Teilhabegerechtigkeit! Stimmen Sie für dieses Gesetz! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

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