Ist das ein Neustart oder kann das weg, Herr Müller?

Stimmt es wirklich, dass die rot-schwarze Koalition in Berlin wieder arbeitet? Über ein halbes Jahr lang wurde kein wichtiges stadtpolitisches Thema angepackt. Es wurde immer nur gestritten, nichts, aber auch nichts mehr entschieden.

aus dem Wortprotokoll

58. Sitzung
Zur Regierungserklärung von Michael Müller

Präsident Ralf Wieland:

– Für die Fraktion Die Linke jetzt Herr Kollege Udo Wolf. – Bitte schön, Herr Kollege Wolf!

Udo Wolf (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Wie Sie sind wir erschüttert über die Morde, zu denen religiöser Fanatismus in Paris geführt hat. Es ist entsetzlich, auf welch brutale Weise eine offene Gesellschaft, die Freiheit der Medien von Terroristen angegriffen wurde. Aber trotzdem bin ich froh, dass die Zivilgesellschaft, die großen Religionsgemeinschaften und die demokratischen Parteien in Berlin nach diesem abscheulichen Morden Solidarität demonstrierten. Es ist gut, dass keine im Abgeordnetenhaus vertretene Partei in der Bewertung der schrecklichen Ereignisse islamophobe Argumente bemüht hat oder Religion allgemein für diese Verbrechen in Haftung nimmt. Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen: Wir brauchen ganz sicher keine neue, populistische sicherheitspolitische Debatte.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Sie wissen, Frankreich hat die Vorratsdatenspeicherung, die Attentäter standen auf allen einschlägigen Listen der Sicherheitsbehörden, und dennoch ist es geschehen. Man darf den Menschen nicht vorgaukeln, es könnte absolute Sicherheit in einer offenen Gesellschaft geben. Wer in einer freien und offenen Gesellschaft auf Terror mit Einschränkungen der Freiheitsrechte reagiert, verliert in der Konsequenz den Kampf gegen den Terrorismus, denn – Herr Präsident, Sie haben es heute auch zu Beginn der Sitzung schon gesagt – Angst und Unfreiheit sind das, was diese Leute wollen.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Was wir brauchen, ist sozialer Zusammenhalt in einer offenen, multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft. Und was wir brauchen und in Ansätzen auch haben, ist eine starke und mutige Zivilgesellschaft. Deshalb möchte ich auch im Namen meiner Fraktion all denjenigen danken, die, egal bei welchem Wetter, auf der Straße waren, ob bei den Mahnwachen oder den Gegendemonstrationen zu Pegida, Bärgida oder den Nazi-Veranstaltungen vor Flüchtlingsunterkünften, also all denjenigen, die die Werte einer offenen, freien und demokratischen Gesellschaft verteidigt haben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Und danke deshalb auch an Sie, Herr Regierender Bürgermeister, für Ihre Erklärung und Ihr Agieren in den letzten Tagen!

Womit ich dann aber auch überleiten muss zur Rubrik: Was sonst noch passierte. Oder anders gesagt: Stimmt es wirklich, dass die rot-schwarze Koalition in Berlin wieder arbeitet?

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Müller! Ihre Regierungserklärung war die erste, und wenn jemand neu ist, gibt es üblicherweise 100 Tage Schonzeit, aber erstens – Frau Kapek hat es auch schon festgestellt – sind Sie hier nicht wirklich neu, und zweitens hat sich in der Koalition auch nichts geändert, also – haben Sie Verständnis! – gibt es auch keine Schonzeit.

Seit mehr als einem halben Jahr, seit Klaus Wowereit seinen Rücktritt erklärt hat, hat diese Koalition nicht mehr gearbeitet. Die SPD hatte ihre Castingshow, und die CDU hat zugeguckt. Das ist ja auch Herrn Müller aufgefallen, sonst hätte es die Schelte an Herrn Henkel nicht gegeben. Ich klammere hier mal aus, dass Sie auch davor schon nicht viel auf die Reihe gekriegt haben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN –
Heiterkeit bei der LINKEN]

Aber über ein halbes Jahr lang wurde kein wichtiges stadtpolitisches Thema angepackt. Es wurde immer nur gestritten, nichts, aber auch nichts mehr entschieden, ganz entgegen der Autosuggestion von Herrn Saleh. Und dann tagt diese Koalition in der ersten Woche des neuen Jahres mit Ihnen an der Spitze, Herr Müller, zwölf Stunden lang. Das muss man sich mal vorstellen, was das für Erwartungen weckt.

[Zuruf von der LINKEN]

Nach einem halben Jahr absoluter Untätigkeit sitzen alle Senatorinnen und Senatoren zwölf Stunden in Klausur. Nicht mal zur Nachrichtensendezeit wird das unterbrochen so wie sonst, um den Zuschauerinnen und Zuschauern des RBB mitzuteilen, was die Koalition künftig kräftig anpacken will. Und dann endlich, aufgemerkt, diese Botschaft: Berlin kriegt eine Umwandlungsverordnung und mehr Mittel für die Sanierung von Schultoiletten. Wow!

[Martin Delius (PIRATEN): Ich bin beeindruckt!]

Dazu auf vier Seiten dürre Kompromisse, die man auch in der Mittagspause beim Espresso hätte zusammenschustern können!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Das, sehr geehrter Herr Müller, hat sogar Menschen wie mich, die bekanntlich an diese Koalition keine großen Erwartungen haben, sagen wir mal, enttäuscht. Natürlich ist gegen mehr Mittel für die Sanierung von Schultoiletten nichts zu sagen. Wir haben die unhaltbaren Zustände schon des Öfteren kritisiert. Ich gönne Ihnen auch die Freude über die gegen die CDU durchgesetzte Umwandlungsverordnung, wenngleich sich die Frage stellt, weshalb die SPD das nicht schon damals unterstützt hat, als wir das unter Rot-Rot gefordert haben.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)
und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Da hätten Sie sich den kläglichen Widerstand der CDU auch ersparen können. Geschenkt!

Aber was dieser Senat hier als Programm für ein starkes, solidarisches Berlin vorgelegt hat, folgt keiner Idee. Nichts als stadtpolitisches Kleinklein, Prüfaufträge und weitere haltlose Versprechen! Da hat sich nichts geändert, es geht so weiter wie bisher. Ein bisschen Mieterschutz gegen etwas mehr Entscheidungsmöglichkeiten, wann Eltern ihre Kinder einschulen lassen können, das riecht nach sachfremdem Tauschgeschäft.

Beides sind Themen, bei denen es aus fachpolitischer Sicht durchaus Verbesserungsbedarf gibt. Nur, SPD und CDU ging es offensichtlich gar nicht um die Sache, wie übrigens in den letzten drei Jahren auch nicht, es ging doch nur darum, dass es beim anderen auch mal ordentlich wehtun muss. Das macht die Stadt nicht stärker, das macht sie nicht solidarischer, das machen zerrüttete Koalitionen so, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Das Rumdoktern am Einschulungstermin hat ein Problem verlagert. Wir werden künftig mehr Kinder haben, die länger einen Kitaplatz brauchen, das heißt, ein Großteil der angekündigten 10 000 Kitaplätze, vermutlich die Hälfte, wird darauf verwendet. Ein Problem der wachsenden Stadt löst das jedenfalls nicht.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Lieber Herr Müller! Wir alle wissen, das Thema Stadtwerk war Ihnen mal wichtig. Dann hat eine Intrige von Finanzsenator Nußbaum zusammen mit der Union und gedeckt von Klaus Wowereit Ihnen die Zuständigkeit entzogen. Sie wurde der Frau Yzer gegeben. Die ist eine erklärte Gegnerin von Rekommunalisierung. Wir alle haben den grotesken Streit zwischen Heilmann und Nußbaum zu den Energienetzen im letzten Jahr erlebt. Passiert jetzt was? Gibt es da noch irgendeine politische Ambition des neuen Regierenden Bürgermeisters außer einem versteckten Halbsatz heute in der Regierungserklärung? Da hätte man doch mal ein Zeichen setzen können. Stattdessen sieht es so aus, als ob statt neuer Energie mit Richtlinienkompetenz nur die fortgesetzte Moderation der Blockade im Senat stattfindet.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Zur Zukunft der S-Bahn nach der gescheiterten Teilausschreibung keinen Plan! Was ist mit neuen Waggons? Das hätte interessiert.

Oder das Ihnen so wichtige Thema Wohnungsbau, Herr Müller: Vor drei Tagen hat sich Ihr Nachfolger verplappert. Mit dem neuen Mietspiegel soll die durchschnittliche Nettokaltmiete weit über 6 Euro liegen. Zwar musste Herr Geisel schnell wieder zurückrudern, aber das klingt schon verdammt nach einem wohnungspolitischen Offenbarungseid. Das ewige Gerede von Neubau zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum hat offensichtlich nichts gebracht. Es werden in der Stadt ja überall neue Wohnungen gebaut. Man muss sich ja nur umgucken, nur bezahlbar sind die für Berlinerinnen und Berliner mit niedrigem oder mittlerem Einkommen nicht.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN –
Zuruf von Dr. Manuel Heide (CDU)]

Neubau ohne Mietenpolitik dämpft keine Mietpreise in der Stadt, sondern treibt sie weiter in die Höhe. Sie haben heute wieder betont, dass es Ihnen wichtig ist, dass Sie das ändern wollen, aber einen Plan dafür legen Sie nicht vor. Wir werden nachher unter der Priorität noch über die Wohnungswirtschaft und damit über die Mietenpolitik in der Stadt diskutieren. Da werden Sie erfahren, was man tun könnte, wenn man nicht hasenfüßig wäre und nicht einfach nur der Baulobby vertraut.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Solidarität ist Ihnen wichtig, Herr Regierender Bürgermeister! Besonders Flüchtlinge brauchen unsere Solidarität – richtig! Sie sagen wörtlich: Senat und Bezirke müssen jetzt sehr viel mehr Unterkünfte als erwartet bereitstellen. Nun gilt es, unsere Mitmenschlichkeit zu beweisen. – Aber, Herr Müller, wann beweist diese Koalition das? Sie lassen Senator Czaja weiter werkeln wie bisher. Die Situation der Flüchtlinge ist schlimm und einfach beschämend, so sehr, dass schon eine große Boulevardzeitung fragt: Will Berlin etwa so seine Flüchtlinge unterbringen? – Davon, dass Sie Containersiedlungen modulare Wohneinheiten nennen, wird die Sache nicht besser. Wer sieht, wie in Turnhallen mehr als 200 Frauen, Männer, Junge und Alte dicht an dicht verpflegt, notfalls ärztlich versorgt, aber ohne jede Privatsphäre untergebracht sind, weiß, dass das kein akzeptabler Zustand ist.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Hier wird die Menschenwürde verletzt. Prüfen Sie, was immer Sie wollen, aber fangen Sie endlich an, verantwortlich zu handeln! Lassen Sie nicht zu, dass die grundsätzlich positive Haltung der Berlinerinnen und Berliner gegenüber Flüchtlingen zerrüttet wird! Die Probleme bei der Unterbringung sind ganz alleine durch die mangelnde Vorsorge seitens der Senatsverwaltung verursacht.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Das ist nicht die Schuld der immer noch überschaubaren Anzahl von Flüchtlingen, die es trotz Schengen und Festung Europa bis nach Berlin geschafft haben. Was Berlin braucht – Frau Kapek hat es auch schon angesprochen –, ist ein modernes, ressortübergreifendes Flüchtlingskonzept, das neben der Unterbringung Flüchtlinge als künftige Mitbürger – als Bereicherung – begreift, denen der Weg in die Berliner Gesellschaft geöffnet werden muss und die nicht als Problem begriffen werden.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Reden wir über die Berliner Verwaltung, über den öffentlichen Dienst. An keiner anderen Stelle verteilen Sie so regelmäßig Trostpflaster und reden gleichzeitig von Konsolidierung wie beim Personal. Es ist doch kein Zufall, dass am Tag Ihrer Klausur in verschiedenen Zeitungen die Rede davon ist, dass der öffentliche Dienst aufgrund von Pensionszahlungen immer teurer wird. Das ist so durchschaubar wie ärmlich, weil es darauf zielt, Stimmung zu machen: Da darf jetzt aber nicht noch mehr Geld gefordert werden!

Wenn Sie nicht wollen, dass der öffentliche Dienst über kurz oder lang zusammenbricht, geben Sie sich nicht damit zufrieden, dass die Bezirke, die kaum noch wissen, wie Sie die vielen Aufgaben der wachsenden Stadt bewältigen sollen, mit ein paar zusätzlichen Stellen für die Bürger- oder Sozialämtern abgespeist werden!

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Der öffentliche Dienst hat längst seinen Konsolidierungsbeitrag für einen ausgeglichenen Haushalt erbracht. Dass beim Personal in der Stadt nicht länger gespart werden darf, das wäre ein klares Signal gewesen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben doch in Ihrer Neujahrsansprache speziell Polizei und Feuerwehr für deren Einsatz gedankt – heute auch wieder. Herr Saleh hat es auch noch einmal gemacht. Wie kann diese Koalition nur wenige Tage später für diese Berufsgruppen wieder nur Bemühungszusagen machen? Wenn Umwandlungsverordnung und Zweckentfremdungsverbot keine leeren Hüllen sein sollen, brauchen Sie Personal. Dass Brücken und zugleich Investitionsmittel verfallen – Herr Müller, das wissen Sie genau –, passiert, weil Berlin nicht mal mehr Fachleute in der Verwaltung hat, die sich darum kümmern können. Jetzt könnten Sie die Weichen neu stellen. Aber von einem Personalkonzept, das Personalentwicklung und Personalbedarf zusammendenkt, ist wieder nichts zu sehen. Kein Wort zu Ihrer erbärmlichen roten Nummer zum Thema Personalbedarf und Personalkonzept aus dem letzten Jahr! Da hätten Sie mal bei Ihrer Klausur so richtig den Finger in die Wunde legen müssen.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Warum machen Sie den öffentlichen Dienst nicht zur Chefsache? Warum siedeln Sie dafür nicht einen Ihrer vielen, vielen Staatssekretäre in der Senatskanzlei an? Selbst die IHK hat unsere Forderung mittlerweile aufgegriffen. Warum so verstockt? Man hat den Eindruck, als gäbe es zu Ihrem Koalitionsvertrag ein geheimes Zusatzprotokoll, in dem festgelegt ist, in dieser Legislaturperiode auf jeden politischen Gestaltungsanspruch zu verzichten.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Genauso wie beim Haushalt: Dass Ihr Finanzsenator seriöser mit Zahlen umgehen möchte als sein Vorgänger, ehrt ihn. Die Mehreinnahmen des Landes nicht länger zu verschleiern, ist ein richtiger Schritt hin zu mehr Haushaltswahrheit – von Klarheit sind wir allerdings noch weit entfernt. Erst mal haben Sie das dicke Plus an Mehreinnahmen nur für 2014 öffentlich gemacht, immerhin über 800 Millionen Euro. Da fällt auch dem Rechenschwächsten unter den Koalitionären auf, wie sehr die Haushaltsplanungen für 2014/2015 daneben liegen. Auch in diesem Jahr kann Berlin Überschüsse von gut einer Milliarde Euro erwarten. Damit könnte man doch richtig etwas machen.

Ein paar Beispiele: Mit 400 Millionen Euro könnte Berlin 40 000 belegungs- und preisgebundene Wohnungen dauerhaft aus dem Bestand den landeseigenen Gesellschaften zur Verfügung stellen. Oder mit 800 Millionen Euro die BVG entschulden. Gar nicht zu reden von dem großen Sanierungsbedarf bei Schwimmbädern und Sporthallen. Da ist Ihnen ja außer Preiserhöhung und Warmbadezuschlägen noch kein Konzept gegen rückläufige Besucherzahlen eingefallen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und
den PIRATEN]

Wir haben Ihnen das schon vor Weihnachten vorgerechnet und gefordert: Machen Sie sich endlich ehrlich! Sie reden heute hier immer wieder von Ihren 413 Millionen Euro Investitionen, die Sie planen wollen. Lassen Sie das Parlament entscheiden, wie die Mehreinnahmen sinnvoll ausgegeben werden! Legen Sie endlich einen Nachtragshaushalt vor!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN –
Heiko Melzer (CDU): Das Parlament hat darüber entschieden! Es gibt ein Gesetz!]

Das wäre anständig, und das wäre Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Die Überschüsse alleine über Ihre Konstruktion „Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ – kurz: SIWA – zu verbrauchen – wo übrigens die Frage steht, ob das, was Sie bei Personalinvestitionen ankündigen, darüber überhaupt zu verhandeln wäre –, indem Sie dann aber auch umstandslos die Hälfte in die Tilgung der Berliner Altschulden werfen,

[Heiko Melzer (CDU): Ja, bravo!
Sparen und investieren!]

ist ökonomisch und politisch dumm! – Der Floskelgenerator ist schnell angeworfen, Herr Melzer, wenn man in der Sache nicht weiter weiß!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und
den PIRATEN]

Nicht zu fragen, was die Stadt braucht, wenn man Überschüsse hat, sondern die Stadt in wichtigen Bereichen weiter auf Verschleiß zu fahren, ist nichts anderes als fortgesetzte verschleierte Verschuldungspolitik.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Denn der Sanierungsstau, die sozialen Folgekosten einer maroden baulichen und sozialen Infrastruktur eines nicht mehr leistungsfähigen öffentlichen Dienstes werden immer höher, je länger man das liegen lässt!

[Martin Delius (PIRATEN): Nein!]

Das ist doch kein so komplizierter Sachverhalt, dass ihn nicht auch diese Koalition verstehen könnte!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und
den PIRATEN]

Ich will es Ihnen noch einmal anders erklären: Beim jetzigen Schuldenstand und den aktuellen Zinssätzen bringen 400 Millionen Euro, ins Altschuldenloch geworfen, gegenwärtig gerade mal eine Zinsersparnis von etwa 8 Millionen Euro pro Jahr. Auf diese Weise, und wenn es immer so gut weiterliefe, hätte Berlin seine Altschulden in 100 Jahren noch nicht abgetragen. Aber entscheidender ist: Wenn wir zum Beispiel für diese 400 Millionen Euro die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Wohnungen und damit Werte für das Land beschaffen lassen würden, wäre das vermögensrechtlich das Gleiche wie Schuldentilgung. Der Unterschied wäre nur, dass die Berlinerinnen und Berliner davon etwas hätten.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Meine Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Nach den dürren Ergebnissen Ihrer Senatsklausur ist deutlich geworden: Es gibt keinen Neustart. Es gibt keine neue Idee für diese Regierung. Sie haben sich entschieden, in der Koalition so weiterzuwursteln wie bisher. Hätten Sie wirklich etwas von den Themen umsetzen wollen, bei deren Umsetzung Sie in den vergangenen Jahren ausgebremst wurden, hätten Sie den Weg für Neuwahlen freimachen müssen. Denn um erfolgreich zu sein – das habe ich schon bei Ihrem Amtsantritt gesagt –, fehlt Ihnen einfach der richtige Koalitionspartner.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und vielleicht dämmert Ihnen ja inzwischen auch, dass nicht allein die schlechten Umfragewerte von Klaus Wowereit das Problem der SPD waren, sondern vielmehr die Union. In dieser Koalition, in der zusammen regiert, was nicht zusammen gehört, gibt es keine einzige strategische Gemeinsamkeit, keine einigende Idee für die Menschen in dieser Stadt.

Und wie üblich in solchen Situationen, wie im alten Rom, werden Spiele ausgelobt. Olympia soll diese Koalition bis zum Wahltermin tragen. Echt jetzt, Michael Müller? Auch da keine Kurskorrektur? Das machen Sie mit? Es klang ja auch ausgesprochen überzeugend, wie Sie das noch einmal aufgesagt haben, was Ihnen da zu Olympia aufgeschrieben wurde. Aber ehrlich: Haushaltskonsolidierung weiter beschwören und Spiele mit Haushaltsrisiken in Milliardenhöhe planen: Ist die Verzweiflung mit dieser Koalition zu groß?

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Ja!]

Also, wenn Sie dieses Projekt weiterverfolgen, sorgen Sie wenigstens dafür, dass das von Herrn Saleh nach der Tempelhof-Niederlage gemachte Versprechen eingelöst wird! Sorgen Sie dafür, dass die Berlinerinnen und Berliner auf der Grundlage der Berliner Verfassung verbindlich über dieses Großprojekt abstimmen können!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN
und den PIRATEN]

Wir haben wie die anderen Oppositionsfraktionen schon vor einiger Zeit Vorschläge dazu unterbreitet. Die Koalition hat abgelehnt, mit uns darüber zu diskutieren.

[Martin Delius (PIRATEN): So ist es! –
Zuruf von der LINKEN: Pfui!]

Wenn Sie nun im Senat, ohne über eine Verfassungsänderung zu diskutieren, am 20. Januar 2015 ein Olympia-Volksbefragungsgesetz vorlegen, dann ist das eine ziemliche Frechheit. Die Verfassung zu respektieren, lieber Herr Müller, ist nicht kleinkariert!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Sie, Herr Henkel, haben hier vor dem Hause gesagt, Sie wollen keine Lex Olympia, die Verfassung müsse geändert werden. Sie, Herr Saleh, haben angekündigt, Bürgerbeteiligung künftig ernst zu nehmen, und jetzt tricksen Sie auf diese dreiste Art und Weise. Hier droht eine Volksbefragung von oben, die es nach der Verfassung von Berlin nicht gibt.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Seien Sie sehr vorsichtig, was Sie hier tun! Die Verfassung für einen kurzfristigen politischen Effekt austricksen zu wollen, ist ein gefährliches Spiel.

Um es noch einmal zu betonen: Wir, die gesamte Opposition, unabhängig von unseren unterschiedlichen Positionen zur Olympiabewerbung, wollen eine verbindliche Volksbefragung zum Thema. Wir sind bereit, im Rahmen einer Reform der Volksgesetzgebung, zu der eine Verfassungsänderung zwingend notwendig ist, die Möglichkeit zu schaffen. Dann können die Berlinerinnen und Berliner entscheiden. Alles andere ist inakzeptabel.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und
den PIRATEN]

Wenn es Ihnen allerdings nur darum geht, mithilfe von Formelkompromissen und Tricks dieses und das nächste Jahr mit einem ungeliebten Koalitionspartner möglichst unfallfrei zu überstehen, mache ich Ihnen wenig Hoffnung, denn zwölf Stunden Sitzung hin oder her: Unter dem Strich ist alles, was Ihre Koalition jetzt noch will, Ihre einzige Ambition, eine Bewerbung um Olympische Spiele in Berlin. Was aber, Herr Regierender Bürgermeister, machen Sie eigentlich, wenn dieses Vorhaben 2015 auch noch scheitert? Soll dann erst das „gute Regieren“ beginnen?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vizepräsidentin Anja Schillhaneck:

Vielen Dank, Herr Wolf! –

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