Sicherheit geht vor – mit Nachdruck weiter am Erfolg des Hauptstadtflughafens BER arbeiten

Ehrlich gesagt, ich bin einigermaßen erschüttert und fassungslos über das, was sich hier gerade abspielt.

Plenarprotokoll

13. Sitzung

Donnerstag, 10. Mai 2012

Ich komme zur

lfd. Nr. 2 A:

Sicherheit geht vor – mit Nachdruck weiter am Erfolg des Hauptstadtflughafens BER arbeiten

Erklärung des Regierenden Bürgermeisters gemäß Artikel 49 Abs. 3 der Verfassung von Berlin

Vizepräsident Andreas Gram:

– Für die Fraktion der Linken hat jetzt der Kollege Wolf das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Udo Wolf (LINKE):

Danke, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehrlich gesagt, ich bin einigermaßen erschüttert und fassungslos über das, was sich hier gerade abspielt.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Ich bin davon ausgegangen und finde, dass es auch Respekt erfordert, dass nach einer solch schwierigen Woche der Regierende Bürgermeister versucht, eine Regierungserklärung abzugeben. Von einer Regierungserklärung erwarte ich bei einem solch wichtigen Vorgang, dass Aufklärung über das, was schiefgelaufen ist, geliefert wird, warum es schiefgelaufen ist, was nun geplant ist und wo möglicherweise persönliche Verantwortlichkeiten geklärt werden müssen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Darüber haben wir nichts erfahren, nicht von Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister! – Und von Ihnen, Herr Saleh – entschuldigen Sie, Sie wissen es offensichtlich nicht besser, aber diese Kabarett-Nummer – es interessiert uns überhaupt nicht, was getwittert wird! Um es mit einer Fußballweisheit zu sagen: Wichtig is’ hier auf’m Platz!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN –
Ja! von der LINKEN]

Klar, Sicherheit geht selbstverständlich vor! Wenn dem nicht so wäre – um Himmels Willen, wo kämen wir denn da hin! Übrigens gehört zur Sicherheit dann aber auch der Lärmschutz – auch eine wichtige Sicherheitsfrage!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN]

Ich weiß gar nicht, wogegen Sie agitiert haben. In diesem Hause hat niemand gefordert, bei Brandschutzproblemen trotzdem den Flughafen ans Netz zu bringen. Solch einen Quatsch hat hier niemand gefordert. Warum agitieren Sie dagegen?

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN]

Man braucht keinen Doktortitel, man muss noch nicht mal studiert haben, um zu wissen,

[Lachen bei der LINKEN und den Grünen]

dass diese Verschiebung eine ausgesprochen schlechte Nachricht für das Land Berlin, für die Hauptstadtregion ist, dass das wichtigste Infrastrukturprojekt der Region nicht pünktlich ins Laufen kommt.

[Torsten Schneider (SPD): Und das ist
jetzt kein Kabarett?]

– Was mich interessiert, lieber Herr Schneider, ist: Wie konnte es so weit kommen, und wer trägt dafür die Verantwortung? Ich habe keine Vorverurteilung getätigt,

[Zurufe von der SPD]

niemand aus meiner Fraktion hat bisher gesagt: Wir wissen, wer der Schuldige ist. – Wir möchten es gern von der Regierung erfahren, von den Aufsichtsratsmitgliedern.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN]

Die Brandenburger CDU hat schon den Schuldigen gefunden. Ich zitiere mit Quellenangabe eine Presseerklärung von Frau Dr. Saskia Ludwig, Fraktionsvorsitzende der Brandenburger CDU, vom 8. Mai 2012, veröffentlich auf der Webseite der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag:

Zitat Anfang:

"Es ist ein Skandal und der traurige Höhepunkt in der Pleiten-, Pech- und Pannenreihe, die Herr Platzeck zu verantworten hat.

Obwohl die Opposition immer wieder Hinweise auf die Probleme am Flughafen gegeben hat, ließ sich Platzeck mit billigen Versprechen abspeisen. Der Ministerpräsident muss nun erklären, welche Fragen er wann gestellt hat und wie diese von wem beantwortet wurden. Wir fragen Herrn Platzeck: Was haben Sie über eine drohende Verzögerung gewusst?

26 Tage vor dem geplanten Flughafenstart ist es unglaubwürdig, dass eine Entrauchungsanlage der einzige Grund für die Verschiebung ist. Wir fordern zu den Gründen Transparenz und Aufklärung."

          Zitat Ende

Herr Graf, Sie reden nach mir, vielleicht können Sie darauf Bezug nehmen!

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Er hat aber
keinen Doktortitel!]

Angesichts dieser Erklärung Ihrer CDU-Parteifreundin frage ich Sie: Was halten Sie von diesen Vorwürfen? Hat die CDU den richtigen Schuldigen gefunden?

Sie, Herr Henkel, sind für Sicherheit und insbesondere auch für die Feuerwehr zuständig!

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie wollten unbedingt in den Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft. Auf Nachfrage, warum eigentlich der Innensenator, war die Antwort: Eben wegen der Zuständigkeit für Sicherheit und Feuerwehr! – Da frage ich Sie als den von der rot-schwarzen Regierung neu bestellten obersten Feuerwehrmann im Aufsichtsrat: Wir konnte es zu den Brandschutzproblemen kommen?

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN]

Welche Fragen haben Sie im Aufsichtsrat gestellt? Haben Sie die Hinweise der Brandenburger CDU auf Probleme im Aufsichtsrat problematisiert? Wenn nicht – wieso nicht?

Verlassen wir das Feld der CDU-Bigotterie! Ein anderer Brandenburger, der Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, hat völlig recht, wenn er sagt: Ein Aufsichtsrat ist keine Bauleitung. Aber, Herr Regierender Bürgermeister, nach dieser Regierungserklärung bleibt trotzdem einiges offen, was noch beantwortet und geklärt werden muss. Offensichtlich – wenn man allen Aussagen von Aufsichtsratsmitgliedern glaubt – war der Aufsichtsrat nicht wirklich über den Ernst der Lage informiert. Allerdings gab es in den letzten Wochen immer wieder Gemunkel von Baustellenbesuchern, es sehe alles so aus, als sei der Eröffnungstermin nicht zu halten. Es gab wohl in der Aufsichtsratssitzung im Dezember auch einen Bericht zu Problemen mit dem Brandschutz. Sie haben, glaube ich, selbst daraus zitiert, welches die Schlussfolgerungen sind. Da nehme ich zu Ihren Gunsten an, dass Sie selbstverständlich und gerade nach der bitteren Erfahrung der ersten Verschiebung des Eröffnungstermins die Geschäftsleitung der Flughafengesellschaft gefragt haben, ob der Termin zu halten ist. Und wenn ich dann zu Ihren Gunsten auch annehme, dass Sie, Herr Wowereit und Herr Henkel, bis Anfang dieser Woche tatsächlich angenommen haben, dass der 3. Juni als Eröffnungstermin steht, dann liegt der Schluss nahe, dass Sie falsch oder unvollständig und grob fahrlässig durch die Geschäftsführung informiert wurden. Das schreit förmlich nach der Klärung persönlicher Verantwortung in der Flughafengesellschaft!

[Beifall bei der LINKEN –
Zurufe von der CDU]

Und welche Konsequenzen muss der Aufsichtsrat daraus für seine eigene Arbeit ziehen, Herr Wowereit?

[Sven Rissmann (CDU): Fragen Sie mal
Herrn Wolf!]

Wenn es doch das größte und wichtigste Infrastrukturprojekt dieser Legislaturperiode ist, ist man dann als Regierender Bürgermeister nicht über alle Maßen darauf bedacht, dass es ein Erfolg wird? Ich glaube, dass Sie es ernsthaft sind. Geht man dann nicht auf Nummer ganz sicher, weil man mit aller Leidenschaft wünscht, dass es klappt? Wo war diese Leidenschaft bei Ihnen, Herr Wowereit? – Davon habe ich heute nichts gehört, sondern nur Durchhalteparolen.

Ich frage Sie: Sind personelle Konsequenzen der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft vorgesehen? Sie haben selbst vorhin in Ihrer Regierungserklärung gesagt, dass es legitim ist, diese Frage zu stellen, aber Sie haben sie nicht beantwortet. Und wenn diese Konsequenzen der Geschäftsführung dann irgendwann anstehen, stellen sich die Fragen: Welche, wie begründet und wann? – Vermutlich – vielleicht haben Sie deswegen nichts dazu gesagt – entstünde damit ein neues Dilemma. Personelle Konsequenzen in der Geschäftsleitung, in der Bauleitung kosten in der Regel Zeit. Schreibtische werden geräumt und neu bezogen. In der Zeit bleibt die Arbeit liegen. Also was tun? Was ist Ihr Plan? Sie haben zu Ihrem Plan nichts gesagt. Und von Durchhalteparolen wird das wichtigste Infrastrukturprojekt nicht besser.

[Beifall bei der LINKEN]

Weitere Fragen schließen sich an. Da hätten wir wirklich gern etwas gewusst. Ich hätte gern darauf verzichtet, da noch einmal nachzufragen zu müssen, aber wir brauchen sehr zeitnah Antworten. Ist die Flughafengesellschaft für die Fertigstellung des Flughafens jetzt so aufgestellt, dass der Flughafen tatsächlich nach dem Sommer eröffnet werden kann? Kann der geplante Sommerflugplan tatsächlich ohne den neuen Flughafen Schönefeld gehalten werden? Welche Konsequenzen gibt es für die Passagiere und für die Fluggesellschaften?

Und dann der gesamte Kostenkomplex! Sie haben gesagt, dass es vermutlich mehr kosten wird, aber da muss man eine Schätzung ausarbeiten, man muss ran an das Problem. Welche Kosten entstehen für jede Woche Verschiebung? Können die Airlines Schadenersatz von der Flughafengesellschaft fordern? Können andere Betroffene Schadenersatz fordern? Reicht das Budget der Flughafengesellschaft aus, um die Zusatzkosten zu decken, und reicht es gleichzeitig aus, um den Bau und Betrieb des Flughafens sicherzustellen? Muss das Land Berlin als Gesellschafter möglicherweise Geld nachschießen? Welche Ansprüche hat die Flughafengesellschaft gegen Baufirmen, das Architekturbüro und andere Beteiligte, falls diese ihre Vertragspflichten verletzt haben? Wenn ich höre, dass die besten und teuersten Planungsstäbe den Flughafenbau leiten, frage ich: Welches Haftungsrisiko gibt es für sie?

Haben Sie diese Fragen schon im Aufsichtsrat diskutiert? Haben Sie sie dort angemeldet? – Das ist das, was wir im Rahmen der Regierungserklärung wissen wollen, wo es um das wichtigste Infrastrukturprojekt der Legislaturperiode geht.

[Beifall bei der LINKEN]

Und weil es das wichtigste Infrastrukturprojekt der Region ist – was wir nicht in Zweifel ziehen; deswegen habe ich die Agitationsarie vorhin nicht verstanden –, ist eine wichtige Frage: Welche Kosten entstehen der Berliner Wirtschaft dadurch, dass die Planungen im Zusammenhang mit dem Umzug zum neuen Flughafen nun storniert werden müssen? Was bedeutet das insbesondere für die Beschäftigten, die für den neuen Standort in Schönefeld schon ab Juni neu eingestellt wurden oder eingestellt werden sollten?

Meine Damen und Herren! Auch wenn es angesichts der Gesamtlage fast ein wenig absurd klingen mag, von Chancen zu sprechen, gibt es doch zwei Dinge, für die nun Senat und Flughafengesellschaft – ich sage mal, unverhofft – wieder neue Handlungsmöglichkeiten erhalten haben. Erstens haben sie jetzt etwas mehr Zeit, um sich endlich intensiv um die Lärm- und Schallschutzmaßnahmen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu kümmern.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN]

Die Belastungen müssen so weit wie möglich minimiert werden, und das, Herr Wowereit, passiert nicht durch Tricksereien bei Lärmpegelgrenzen, sondern durch unbürokratisches und engagiertes Handeln.

Zweitens sage ich Ihnen – Frau Pop hat es auch schon angesprochen –, wie Sie zumindest einen Teil der Mehrkosten, die durch die Verschiebung entstehen, wieder einsparen können: Verzichten Sie einfach auf den Flughafenknast!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN]

So wird der Flughafen – so er denn hoffentlich bald eröffnet wird – zum Zeichen einer Willkommenskultur und nicht einer Abschiebekultur.

Es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, die große Hoffnungen in dieses wichtige Infrastrukturprojekt setzen, und es gibt viele, die den Flughafen wegen der drohenden Lärmbelastung fürchten. Pleiten, Pech und Pannen, verbunden mit dieser Arroganz gegenüber den berechtigten Sorgen und Ängsten vieler Anwohnerinnen und Anwohner, werden die Legitimation des Flughafens an diesem ohnehin problematischen Standort ganz sicher nicht erhöhen.

Vizepräsident Andreas Gram:

Herr Kollege Wolf! Kommen Sie dann bitte zum Ende!

Udo Wolf (LINKE):

Das ist der letzte Satz, Herr Präsident! – Das Einzige, was da hilft, ist Transparenz, lieber Klaus Wowereit, das ehrliche Bemühen, über die Probleme auch offen zu sprechen und sie zu lösen, sei es, dass es um die Einhaltung von Terminen geht oder um Lärmschutzversprechen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei den
PIRATEN]

Vizepräsident Andreas Gram:

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf! –


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