Von Erwerbsarbeit muss man leben können

Der Mindestlohn im Berliner Vergabegesetz muss endlich aktualisiert werden!

17. Wahlperiode • 2. Sitzung
Udo Wolf, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE

[aus dem Wortprotokoll]

Udo Wolf (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie uns heute die künftige Zusammenarbeit von Charité und Delbrück-Centrum als den großen Wurf verkaufen wollen, wird Ihnen das unser Chirug, der Kollege Albers, nachher sezieren.

Unser Thema ist aktuell. Es geht um Konkretes, und es geht auch um ein Wahlversprechen der SPD. Selbst die Union, Herr Zimmer,

[Nicolas Zimmer (CDU): Hier!]

im Bund allerdings, fängt an, darüber zu diskutieren. Es geht um das Thema Mindestlohn. Wir wollen, dass sich dieses Haus mit einer zentralen Frage sozialer Gerechtigkeit befasst. Von Erwerbsarbeit muss man leben können.

[Beifall bei der LINKEN]

Es gibt in Deutschland nicht wenige Menschen - Sie wissen das -, die einen Job haben, aber von ihrem Lohn nicht leben können. Sie sind auf ergänzende Leistungen von Hartz IV angewiesen. Das ist skandalös. Das ist beschämend und demütigend für die Betroffenen. Außerdem ist es volkswirtschaftlicher Unsinn. Wenn wir Schluss machen wollen mit diesem gesellschaftlichen Skandal, brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn.

[Beifall bei der LINKEN]

Und ein Mindestlohn muss so gestaltet werden, dass er die Menschen auch vor drohender Altersarmut schützt. Der DGB fordert einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Das ist eigentlich noch zu wenig. Im europäischen Vergleich liegt es eher an der unteren Grenze. Aber für die Bundesrepublik Deutschland ist es wenigstens ein erster, wichtiger Schritt.

Jetzt können wir auf Landesebene leider kein allgemeingültiges Mindestlohngesetz beschließen. Aber wir können mit dem Berliner Vergabegesetz zumindest Standards für die öffentliche Hand setzen. Herr Zimmer! Das haben wir in der Vergangenheit getan. Sie kennen das Gesetz offensichtlich nicht, so, wie Sie darüber geredet haben.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir können diese Standards so setzen, dass wir damit auch die weitere Diskussion im Bund befördern. Deshalb, meine Damen und Herren: Der Mindestlohn im Berliner Vergabegesetz muss endlich aktualisiert werden! Aus 7,50 Euro bei der Vergabe öffentlicher Aufträge müssen mindestens 8,50 Euro werden. Menschen, die im Auftrag des Landes Berlin arbeiten, müssen weiter existenzsichernd bezahlt werden. Deshalb braucht es mindestens 8,50 Euro in der Stunde - und zwar nicht irgendwann, sondern sofort!

[Beifall bei der LINKEN -
Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

SPD und CDU befinden sich - das haben wir schon gesehen - in fast schon abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen. Na ja, wenn man genau hinguckt, ist es eher so, dass die CDU das Meiste abnickt. Deshalb drängt sich die Frage auf, weshalb es ausgerechnet beim Mindestlohn im Vergabegesetz keine Einigung auf 8,50 Euro gibt. Jetzt merkt selbst die Kanzlerin - Herr Zimmer, Mindestlohndebatte aktuell -,

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE):
Kanzlerin, Herr Zimmer!]

dass es in Zukunft ohne Mindestlohn nicht mehr geht und präsentiert eine Mogelpackung quasi schon mit einer Anleitung zum Unterlaufen. An "Arm trotz Arbeit" soll sich nichts ändern, aber es soll besser aussehen. Dann lese ich, die SPD wolle jetzt die Diskussion auf Bundesebene abwarten. Klaus Wowereit machte mir bisher in den Verhandlungen nicht solch zögerlichen Eindruck. Deshalb frage ich Sie: Weshalb gelingt es der Berliner SPD nicht - was sie angeblich immer wollte -, den Mindestlohn im Vergabegesetz auf 8,50 Euro zu erhöhen?

[Beifall bei der LINKEN -
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass die SPD 8,50 Euro gar nicht mehr will, vermutlich nie gewollt hat oder nur einige. Die aber haben wohl aufgehört, dafür zu kämpfen. 8,50 Euro könnte die SPD nämlich sofort umsetzen, das wäre kein Problem. Herr Zimmer! Harald Wolf hat dafür schon vor einiger Zeit eine Verordnung im Senat vorgelegt. Herr Wowereit, unterschreiben Sie sie doch einfach!

[Beifall bei der LINKEN]

Apropos ordentlich bezahlen: Wenn wir hier über Arbeit zu Mindestlohnbedingungen reden, dann muss man auch über den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor reden. Dazu sind sich SPD und CDU schon einig, der ÖBS soll abgewickelt werden. Sie behaupten, durch Bürgerarbeit könnten mehr Langzeitarbeitslose beschäftigt werden, und der ÖBS sei zu teuer. Das ist Quatsch, und das wissen Sie!

[Beifall bei der LINKEN]

Die Abwicklung des ÖBS ist ein politischer Rückschritt, der den Niedriglohnsektor fördert. Die Kollegin Breitenbach wird Ihnen das nachher im Prioritätenblock alles zum wiederholten Mal erklären.

Natürlich würde ich mich freuen, wenn die Piraten und die Grünen unserem Vorschlag zur Aktuellen Stunde unterstützten. Aber ich verstehe auch, liebe Grüne, dass Sie derzeit andere Probleme haben. Die Klimakrise verschärft sich - ja, das sieht so aus. Sie betteln ja geradezu um Spott. Das steht jeden Tag auf den Lokalseiten der Presse.

Meine Damen und Herren! Reden wir über Politik. 8,50 Euro sind das Mindeste. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Wenn Sie es wirklich wollen, dann machen Sie es auch. Sie können es noch mit uns in der nächsten Senatssitzung beschließen. Schieben Sie es nicht auf Ihren künftigen Koalitionspartner.

[Beifall bei der LINKEN -
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Oder - ich komme zum Schluss - haben Sie wenigstens den Mumm, heute denjenigen, die im Auftrag des Landes Berlin ihre Arbeit leisten, zu sagen, weshalb sie dafür trotz steigender Preise und Mieten nach wie vor nur 7,50 Euro in der Stunde erhalten sollen, warum Sie also ihr Wahlversprechen brechen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN -
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

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