26.2.2010

"Man muss kein Fan von uns sein"

Vor der Klausurtagung am Wochenende gibt sich Fraktionschef Udo Wolf gelassen: Die Führungskrise im Bund habe nicht auf den Landesverband durchgeschlagen. Er unterstützt Lötzschs Kandidatur als Parteichefin


taz: Herr Wolf, wie können Sie bei der Fraktionsklausur am Wochenende ruhig über Sachthemen wie soziale Stadt und ökologischen Umbau reden, wenn ihnen gerade die eigene Partei um die Ohren fliegt?

Udo Wolf: Also, dass sie uns um die Ohren fliegt, ist jetzt schon ein bisschen übertrieben ...

Gut, sagen wir: starke Erosionserscheinungen aufweist.


Wir haben unbestritten eine Führungskrise auf der Bundesebene, die aber auch zu meinem eigenen Erstaunen auf unseren Landesverband nicht durchgeschlagen  hat, im Gegenteil.

Zu ihrem eigenen Erstaunen?

Nun, in der Vergangenheit hatten wir durchaus  Situationen in denen Krisen auf der Bundesebene verbunden wurden mit Schuldzuweisungen an unsere Regierungsbeteiligung. Das ist jetzt nicht der Fall. Es gibt in unserem Landesverband auch niemanden, der mit großer Aufregung auf den Bundesarteitag im Mai guckt.

Ihre Fraktion trägt die geplante neue Spitze unisono mit?

Wir sind ja in einer Phase, in der wir erst mal ein paar andere Sachen klären müssen. Es muss geklärt werden, ob wir vom Parteistatut her überhaupt mit einer Doppelspitze arbeiten können.

Hinter Statuten kann man sich gut verstecken, wenn man sich zu Personen nicht äußern will.

Die Gemengelage ist doch komplizierter, da lässt sich die Form nicht so einfach vom Inhalt trennen. Wenn man die Führungskrise mit einer dauerhaften Doppelspitze beenden will, ist eine Statutenänderung mit Zweidrittelmehrheit notwendig - und zwar unabhängig davon, ob man mit den vorgeschlagenen Personen einverstanden ist oder nicht. Und diese Zwei-Drittel-Mehrheit ist ein harter Brocken. Wir hatten ja auch schon
vor der Führungskrise eine Diskussion, ob wir eine Vorsitzende beziehungsweise einen Vorsitzenden oder eine Doppelspitze haben wollen.

Parteiobere wie Katja Kipping und Bodo Ramelow haben eine Urabstimmung ins Gespräch gebracht. Was halten Sie davon?

Da gibt es  zwei Varianten: eine einfache Mitgliederbefragung oder eine richtige Urabstimmung über die verschiedenen Teilbereiche des Vorschlags: Doppelspitze, doppelte Geschäftsführung und Parteiaufbaubeauftragte für Ost und West.

Wofür sind Sie?

Wenn man das Statut ändern will, ist es sinnvoll, das konkret in eine Urabstimmung zu geben.

Gesine Lötzsch, die designierte neue Bundesvorsitzende, kommt zwar aus Lichtenberg, ist aber nicht gerade der größte Fan von Rot-Rot. Ist das ein Problem für Sie und die Koalition?

Nein - mal ganz abgesehen davon, dass man kein großer Fan von uns sein muss, sondern nur nüchtern beurteilen muss, was wir hier tun. Da hat sich Gesine Lötzsch immer als fair und verlässlich erwiesen. Deshalb gibt es überhaupt kein Vertrauensproblem. Im Gegenteil: Für uns ist sie eine richtig gute Kandidatin.

Vielleicht können Sie sich den ganzen Parteitag sparen, wenn die Linkspartei es kurz vorher am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen nicht in den Landtag schafft und es dann richtig kracht.

Über die Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien zu spekulieren ist müßig. ES gibt gute Gründe, dass wir es auch in NRW schaffen. Aber aus der Geschichte der Grünen wissen wir, dass es sehr schwierig ist, in den NRW-Landtag einzuziehen: Die waren anderswo schon etabliert, als sie in NRW noch immer um die Fünf-Prozent-Hürde gerungen haben.

Was soll denn verhindern, dass es bei einer Niederlage zum großen Bruch kommt?

Mit dem was wir schon in anderen Landesverbänden erreicht haben, in Hessen, im Hamburg, in SH, In Bremen, haben wir auch ein gewisse Stabilität erreicht. Debatten nach Niederlagen werden nie einfach sein, aber die Vehemenz hängt immer davon ab, wie verankert man sonst schon ist. Und da sind wir auf einem ganz guten Weg.

"Verankert" klingt nach einem Euphemismus für: seinen neuen Landtagssitz liebgewonnen haben und nicht riskieren wollen, dass die Partei auseinanderbricht, die einem dieses nette Mandat erst verschafft hat.

Das ist bestimmt auch ein Punkt, aber das Entscheidende ist anderes: Wer in Kommunalparlamenten oder im Landtag arbeitet, hat Kontakte zur Welt außerhalb der Partei. Da muss er Rede und Antwort stehen, für das, was er anstellt und was seine Partei so treibt. Das hat durchaus beruhigende Wirkung.

Die SPD-Fraktion hat bei ihrer Klausurtagung schon vor fünf Wochen über die Themen soziale Stadt und Ökologie gesprochen. Da hinken Sie jetzt ein bisschen hinterher, oder?

Na, da lohnt sich mal genauer hinzuschauen: Denn bereits im Oktober hatten  wir ein Papier zur Zukunft Berlins mit genau den Schwerpunktthemen formuliert: soziale Wohnungspolitik, Umgang mit den öffentlichen Unternehmen und sozial-ökologischer Umbau. Das findet die SPD auch wichtig und das freut uns.

Ihre Umweltsenatorin Katrin Lompscher hat jüngst von der SPD eine Klatsche bekommen, weil die das Klimaschutzgesetz in jetziger Form ablehnte. Werden Sie bei der Klausur einen Kompromiss suchen oder auf Lompscher Entwurfs beharren?

Es wird ein gutes Klimaschutzgesetz für Berlin geben. Was bislang in der öffentlichen Debatte war, war ein Referentenentwurf.

Aber auch den gibt eine Senatorin nicht nach außen, wenn sie nicht dahinter steht.

Wir haben ihn veröffentlicht, damit es in der Stadt eine Diskussion darüber gibt. Jetzt sind wir in einer Phase zu gucken, wo dieser Entwurf verbessert werden muss. Und genau das wird bei der Klausur passieren.

Rot-Rot hat seit über einem halben Jahr keine Mehrheit mehr in Umfragen, die Grünen halten sich alles offen. Wie wem wollen Sie denn über das Jahr 2011 hinaus regieren?

Das ist natürlich ein Thema, das wir diskutieren müssen, und das werden wir bei der Klausur auch tun. Wir haben gut gearbeitet und inhaltlich einiges zu bieten. Da  halte ich es  nicht für ausgeschlossen, dass wir auch nochmal mit einer Zweier-Koalition gewinnen können.